Pharma-Thriller „Side Effects“: Ein Arzt mit Nebenwirkungen

Jude Law gegen Rooney Mara in einem brisanten Pharmadrama: Mit „Side Effects“ verabschiedet sich Steven Soderbergh vom Regiestuhl.

Düsseldorf. „Take Back Tomorrow“ (Stell die Gedanken ans Morgen zurück) lautet der zuversichtliche Slogan des Medikaments „Ablixa“, das die grauen Wolken über den Köpfen seiner depressiven Patienten schnell und effektiv vertreiben soll. Tief in diesen grauen Wolken lebt Emily (Rooney Mara), seit ihr Mann wegen Insider-Handels an der Wall Street verurteilt wurde und sie ihr luxuriöses Leben von einem Tag auf den anderen verloren hat.

Aber auch als Martin (Channing Tatum) nach vier Jahren Haft wieder rauskommt und voller Elan an eine neue Existenzgründung geht, wollen Emilys Depressionen nicht verschwinden. Psychiater Jonathan Banks (Jude Law) schlägt eine Behandlung mit “Ablixa” vor, mit dessen Herstellern er einen Forschungsvertrag abgeschlossen hat.

Das Medikament schlägt bei der Patientin gut an. Die Tage im Nebel sind vorbei, und sogar das Liebesleben kommt wieder in Gang. Aber das Antidepressivum hat auch Nebenwirkungen, und in einem Anfall von Amnesie ersticht Emily ihren Ehemann. Alles spricht für die Schuldunfähigkeit der Mörderin, und als ihr behandelnder Arzt wird Jonathan zur Rechenschaft gezogen.

In „Side Effects“ wiegt Steven Soderbergh („Traffic“) das Publikum bis zur Mitte des Filmes in der Sicherheit eines gesellschaftskritischen Politthrillers. Depression als Volkskrankheit, die massenhafte Verabreichung von Psychopharmaka und die Machenschaften der Pharmakonzerne sind nicht nur in den USA hochaktuelle Themen. Außerdem hatte Soderbergh mit seinem engagierten Politthriller „Erin Brockovich“ vor dreizehn Jahren einen seiner größten Publikumserfolge.

Aber so leicht macht es sich der Regisseur, der mit „Side Effects“ seinen Rückzug aus dem Filmgeschäft angekündigt hat, mit seinem Abschiedsgeschenk nicht. Vielmehr nutzt er den gesellschaftskritischen Lockstoff dazu, ein komplexes Thrillergerüst aufzubauen, in dem die politisch korrekten Loyalitäten aufgekündigt und die Zuschauer recht gründlich an der Nase herumgeführt werden.

Keine Figur ist hier berechenbar: nicht der Psychologe, der mit der Pharmaindustrie flirtet und sich einer gut eingefädelten Intrige ausgesetzt sieht, und auch nicht die Patientin, deren Seelenkostüm vielleicht weniger zart ausgelegt ist, als es den Anschein hat. Mit unterschwelligem Suspense haben Soderbergh und sein Drehbuchautor Scott Z. Burns („Das Bourne Ultimatum“) hier einen Plot entworfen, der die Identifikationsbedürfnisse des Publikums gezielt unterwandert.

Jude Law und vor allem Rooney Mara („Verblendung“) arbeiten ohne dramatische Übersteuerungen an ihren Charakteren und Soderbergh, der hier erneut selbst die Kameraarbeit übernommen hat, überzieht die Bilder mit einem leicht schlaftrunkenen Schleier, was das Gefühl allmählicher Verunsicherung effizient untermalt.

„Side Effects“ ist sicherlich nicht das Meisterwerk, das sich viele als Schlussakkord von Soderberghs Karriere erhofft hatten. Aber er passt ins Werk eines Filmemachers, der es sich nie bequem eingerichtet hat und die Erwartungen, die an ihn und seine Filme gestellt wurden, stets aufs Neue unterwandert hat.

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