Polanski räumt beim Europäischen Filmpreis ab
Tallinn (dpa) - Roman Polanski dankte per Internetkamera aus Paris. Mit „Der Ghostwriter“ holte er beim Europäischen Filmpreis sechs Trophäen und ist der große Gewinner des Abends. Der in Deutschland gedrehte Polit-Thriller setzte sich gegen starke Konkurrenten durch.
Bei der Produktionsfirma Studio Babelsberg konnten nach der Verleihung in der estnischen Hauptstadt Tallinn die Korken knallen. „Soul Kitchen“ und „Die Fremde“ gingen leer aus.
Es regnete am Samstagabend geradezu Preise für den 77-jährigen Polanski: für Regie, Filmmusik, Drehbuch und die Ausstattung, für die der deutsche Szenenbildner Albrecht Konrad verantwortlich war. Schon bei der Premiere auf der Berlinale gab es eine Regie-Auszeichnung. „Das ist zu viel“, zeigte sich Polanski diesmal bescheiden. Beim besten Film wollte er sich nicht wiederholen und sagte es trotzdem: Die Filmakademie habe ein „wirklich europäisches Projekt“ geehrt.
Vergangenes Jahr wurde Polanski in der Schweiz festgenommen. Seit dem Sommer steht er nicht mehr unter Hausarrest. In den USA droht ihm aber immer noch ein Prozess wegen eines alten Sexualdeliktes. Filmleute hatten sich mit ihm solidarisiert.
So auch Fatih Akin. „Ich verehre Polanski“, sagte der Hamburger Regisseur nach der Verleihung der Nachrichntenagentur dpa. Dieser sei für ihn eine Art Mentor. „Er ist in dem, was er macht, sehr gut“, so Akin über den „Ghostwriter“-Regisseur. Enttäuscht war der 37-Jährige „eigentlich nicht“, dass er anders als 2004 mit „Gegen die Wand“ keine Trophäe für den besten Film gewann. Wobei: Den ebenfalls verliehenen Publikumspreis hätte er für sein Komödiendebüt „Soul Kitchen“ gerne gehabt.
Der mit sieben Nominierungen als Favorit gehandelte „Ghostwriter“ ist ein Krimi mit Hitchcock-Elementen. Und Liebling der 2300 Mitglieder der Europäischen Filmakademie: Die Verfilmung des Bestsellers von Robert Harris schlug sogar den Berlinale-Sieger „Bal - Honig“ und den Oscar-prämierten Thriller „In ihren Augen“.
Ewan McGregor spielt darin den Memoirenschreiber eines Politikers, der an Tony Blair erinnert. Als der Brite zum besten Schauspieler gekürt wurde, grüßte er im T-Shirt per Video von Dreharbeiten aus Thailand. Sylvie Testud wurde für ihre Rolle in Jessica Hausners Pilgergeschichte „Lourdes“ ausgezeichnet, die von ZDF und Arte mitproduziert wurde. Die Französin setzte sich gegen Nominierte wie Sibel Kekilli („Die Fremde“) durch.
Das israelische Antikriegsdrama „Lebanon“, 2009 Sieger in Venedig, bekam Preise für die Kamera und als bester Erstling. „Es ist ein bisschen ungewöhnlich, entdeckt zu werden, wenn man fast 50 ist“, sagte Regisseur Samuel Maoz, der eine Krawatte mit einer Frauenfigur trug - ein Hingucker des Abends. Europäischen Kinoglanz brachten die Laudatorinnen Juliette Binoche und Hannelore Elsner.
Emotional wurde es, als Wim Wenders auf Englisch „Bruno Gäänz“ für sein Lebenswerk ehrte. Der Regisseur erinnerte daran, wie der Schweizer bei den Dreharbeiten zu „Der amerikanische Freund“ eine Schlägerei mit dem aus der Bahn geratenen Dennis Hopper hatte und diesen damit zur Besinnung brachte, seinen Job ernst zu nehmen. Was Wenders mit der Anekdote sagen wollte: „Bruno flößt mir höchsten Respekt für sein Handwerk ein.“
Die Filmpreis-Veranstalter hatten mit den Winterproblemen auf den Flughäfen zu kämpfen. Manches Abendkleid ließ auf sich warten. Das tief verschneite Tallinn, europäische Kulturhauptstadt 2011, präsentierte sich als charmanter Gastgeber. Und die Esten singen gern, wie sich am roten Teppich und bei der Show in der Konzerthalle zeigte, wo Chöre ertönten.
Moderatorin Anke Engelke, die mit ihrem estnischen Kollegen Märt Avandi durch den Abend führte, parodierte Wenders und Vorjahressieger Michael Haneke. Vielleicht knöpft sie sich nächstes Jahr in Berlin Polanski vor.