Premiere von Emmerichs „Anonymus“

Berlin (dpa) - Steckt hinter Shakespeares Werken gar nicht Shakespeare? Um diese Frage geht es in Roland Emmerichs neuem Film „Anonymus“, der am Sonntagabend in Berlin seine Deutschlandpremiere feierte.

Der Hollywood-Regisseur hatte einige Darsteller mitgebracht: Rhys Ifans, Sebastian Armesto, Jamie Campbell Bower und Joely Richardson. Emmerich („Independence Day“) schließt sich in dem Historien-Drama der schon älteren These an, dass Edward de Vere, 17. Earl von Oxford, der wahre Verfasser der Shakespeare-Werke ist. Kinostart ist am 10. November.

Nach der freundlich aufgenommenen Premiere grüßte Emmerich, gebürtiger Schwabe, seine Mutter im Publikum und lobte sein Team sowie die finanzielle Unterstützung. „Ohne Förderung würde es in Deutschland keine Filme geben“, sagte der Regisseur, der auch seinem Freund dankte („Thank you, Baby“).

Das berühmte Globe-Theater stand in Potsdam-Babelsberg. Emmerich bringt das London des 16. Jahrhunderts mit viel Computertechnik auf die Leinwand. Rhys Ifans spielt die Hauptrolle, den dichtenden Grafen von Oxford. Als alte Königin Elisabeth beeindruckte Vanessa Redgrave das Premierenpublikum. Den Part der jungen Monarchin hat ihre Tochter, Joely Richardson. Shakespeare (Rafe Spall) kommt im Film als eitler Trottel daher und ist eher eine Nebenfigur.

Dass der für Blockbuster und Katastrophenfilme bekannte Emmerich in seiner Geschichte die Urheberschaft der literarischen Meisterwerke anzweifelt, hat ihm einige Kritik und Spott eingebracht. In Shakespeares Geburtsstadt Stratford-upon-Avon protestierte eine von Prinz Charles unterstützte Stiftung gegen die „Verschwörungstheorie“.

Emmerich bereut es nicht, das strittige Thema gewählt zu haben. „Es ist ein freies Land - wir leben nicht im Mittelalter, wo es Zensur gab“, sagte der 55-Jährige der Nachrichtenagentur dpa. In „Anonymus“ geht es auch um den Einfluss, den das Theater im Elisabethanischen Zeitalter hatte. Gibt es so etwas heute noch? „Das Internet hat diese Rolle übernommen“, so Emmerich. Der Film sei mehr oder weniger ein „Vergnügungstummelplatz“ geworden.

Shakespeare-Übersetzer Frank Günther kritisierte im Sender Deutschlandradio Kultur, Emmerich führe mit dem Film „ein ziemlich altes Hündchen spazieren“. Die These, der Earl of Oxford habe eigentlich die Shakespeare'schen Dramen geschrieben, gebe es bereits seit Anfang der 1920er Jahre, sagte Günther am Montag. Seitdem werde versucht, die Theorie zu beweisen: „Und bis zum Jahr 2011 ist es immer noch nicht gelungen.“

Emmerich belege seine These im Film ebenfalls nicht - und behaupte „eine unglaubliche Menge von Dingen, die historisch völliger Mumpitz sind“. Dass Oxford der Sohn von Königin Elisabeth gewesen sei und mit seiner Mutter seinen eigenen Halbbruder gezeugt habe, sei hanebüchen, gehöre aber zur Verschwörungstheorie um den Earl. Ansonsten sei der Streifen ein „schöner Kostümfilm“ und „großes Kinospektakel“: „Es ist ein Film über Sex und Crime und Mord und Inzest und Revolution und was will der Mensch mehr?“

Was ihn an Emmerichs Projekt ärgere, sei die Werbemaschinerie für den Film. Hier sollten Konflikte mit der Literaturwissenschaft provoziert werden. Günthers Ansicht nach ist die Autorschaft Shakespeares historisch gut belegt.