Russendisko: Abenteuerspielplatz Ostberlin
Matthias Schweighöfer spielt in „Russendisko“ den Schriftsteller Wladimir Kaminer.
Düsseldorf. Matthias Schweighöfer ist der neue Til Schweiger. Sein Regiedebüt „What A Man“ lief überraschend erfolgreich. Auch sein Auftritt in Frauenkleidern in „Rubbeldiekatz“ lockte viele Besucher in die Kinos. Spielt Schweighöfer in einem Film mit, sollte an der Kasse eigentlich nichts mehr schief gehen. Erst recht, wenn es um die Verfilmung des Bestsellers „Russendisko“ geht.
Der in Moskau geborene Autor Wladimir Kaminer (44), seit mehr als 20 Jahren Berliner, geht zwar als russische Antwort auf George Clooney durch. Angegraut und angejahrt kann er sich im Film aber nicht mehr selbst als Jungspund spielen. Also gab Kaminer dem 31 Jahre alten Schweighöfer den Freibrief, ihn als Figur neu zu erschaffen. Diesem zur Seite stehen Friedrich Mücke („Friendship!“) und Christian Friedel, der nach dem Drama „Das weiße Band“ hier sein komisches Talent zeigt.
Aus Kaminers isolierten Anekdoten macht Regiedebütant Oliver Ziegenbalg mit Unterstützung des Produzenten-Urgesteins Arthur Cohn ein buntes, aber nicht durchweg überzeugendes Buddy-Movie: eine Komödie über die Freundschaft dreier junger Russen, die es kurz nach dem Mauerfall und vor der Wiedervereinigung von Moskau nach Ostberlin verschlägt. „Die DDR war die bessere Aussichtslosigkeit“, erinnert sich der Film-Wladimir, dem Schweighöfer seinen Jungen-Charme verleiht.
Damals bekamen Russen jüdischer Herkunft ohne Probleme eine Aufenthaltsgenehmigung — und damit die Aussicht auf ein neues Leben in einer Stadt, die in den 1990er Jahren ein großer Abenteuerspielplatz war.
Das Film-Trio landet in einem Ausländerwohnheim mit albanischen Großfamilien und vietnamesischen Zigarettenhändlern. Geld verdienen die Männer mit dem Verkauf von Dosenbier im Bahnhof Lichtenberg. Wladimir verliebt sich — wie im echten Leben — in die Russin Olga (eine Neuentdeckung: Peri Baumeister), die im Film mit einer herzigen Comic-Animation eingeführt wird. Während Mischa (Mücke) Musiker werden will, hat der schwermütige Andrej (Friedel) ein Problem: Er ist gar kein Jude. Nun lässt er sich sogar beschneiden, um den Rabbi zu überzeugen.
Und dann sind da noch Wladimirs Eltern (Rainer Bock und Imogen Kogge), die mit seiner Plattensammlung im Gepäck nach Deutschland kommen, so dass er mit seiner „Russendisko“ das Nachtleben aufmischen kann.
Die Leser werden im Film beispielsweise den Radiodoktor (mit Kaminers Stimme) erkennen oder die Journalistin, die über „interessante Russen in Berlin“ schreibt. Wer aber in Nostalgie schwelgen will, wird enttäuscht.
Die Szenen im heute längst durchsanierten Prenzlauer Berg entstanden in den Studios von Babelsberg. Kulissen und Kostüme sind so gehalten, dass heute 20-Jährige nicht verschreckt werden und Berlin weiter cool finden. Der Osten der Stadt war nach dem Mauerfall zwar aufregend, aber grau. Die Bilder von Kameramann Tetsuo Nagata („La vie en rose“) sind hingegen poppig, auf den Spuren von „Die fabelhafte Welt der Amelie“.