Schmerzhafter Stoff: Dresen in Cannes ausgezeichnet

Cannes (dpa) - Tränen und Taschentuch-Rascheln: Mit seinem Krebsdrama „Halt auf freier Strecke“ brachte der deutsche Regisseur Andreas Dresen beim Filmfestival in Cannes viele Zuschauer zum Weinen.

Die herausragende Leistung der Schauspieler und des Regisseurs bewegte auch die Jury: Das Drama gewann in der renommierten Nebenreihe „Un certain regard“ den Hauptpreis.

Der 47 Jahre alte Dresen teilt sich die Auszeichnung mit dem Koreaner Kim Ki-duk, der für sein autobiografisches Werk „Arirang“ geehrt wurde. „In Cannes einen Preis zu gewinnen, ist natürlich etwas ganz Tolles. Ich denke, davon träumt jeder Filmemacher“, sagte Dresen der dpa. „Großartig, vor allem wenn man sich anguckt, was für Filme hier gelaufen sind und von welchen Regisseuren.“

„Er ist ein bemerkenswerter Regisseur“, sagte Jurymitglied Geoffrey Gilmore nach der feierlichen Gala am Samstagabend der Nachrichtenagentur dpa. „Es ist eine Geschichte, die sehr schwer gut erzählt werden kann. Sie ist so schmerzhaft zu sehen.“ Außerdem gebe es einen Realismus, der bemerkenswert sei und gleichzeitig eine experimentelle Qualität, weil man auch mit Laien gedreht habe. Dresen sei ein Regisseur, der „sich nicht falscher Sentimentalität hingibt, sondern über die Komplexität einer solchen Situation spricht“. Auch die schauspielerischen Leistungen seien „wunderbar“.

„Halt auf freier Strecke“ handelt von Frank, der mit seiner Familie mitten im Leben steht. Das neue Reihenhäuschen ist gerade gekauft, alles läuft bestens. Doch dann wird bei Frank - von Milan Peschel herausragend gespielt - ein Hirntumor diagnostiziert, der nicht zu operieren ist. Für Frank, seine Frau (Steffi Kühnert) und seine Kinder beginnt eine schmerzhafte Zeit des Abschieds.

Dresen hatte schon im Jahr 2008 das Festival mit seinem Drama „Wolke 9“ überrascht, in dem er von Liebe zwischen älteren Menschen erzählt. Das Filmfest ehrte den Deutschen damals mit dem Sympathiepreis „Coup de Coeur“. Nun setzte sich sein Werk, für das er auch mit realen Ärzten und Pflegern drehte, gegen 20 andere Filme durch und bekam von der Jury unter Vorsitz des Regisseurs Emir Kusturica die höchste Auszeichnung der Sektion überreicht.

Nicht nur die intensiven Dreharbeiten waren für das gesamte Team eine Herausforderung, wie Dresen der dpa verriet. „Halt auf freier Strecke“, das im vergangen Herbst und Winter in Berlin und Brandenburg gefilmt worden war, wurde erst vor rund einer Woche fertiggestellt.

Den Siegeszug seines Werks verglich der gebürtige Thüringer mit einer Flaschenpost, die man ins Meer wirft. „Man hofft, dass die Flaschenpost irgendwo an der richtigen Stelle ankommt und die Menschen erreicht“, so Dresen. „Das war hier schon allein in der Vorführung ganz großartig und hat mich irre gefreut. Und ist jetzt mit einem Preis umso schöner.“

Auch andere deutschsprachige Beiträge wurden am Wochenende beim Filmfestival mit Auszeichnungen geehrt. Der Österreicher Karl Markovics, der sich bislang als Schauspieler mit Werken wie „Die Fälscher“ einen Namen gemacht hatte, gewann für sein Regiedebüt „Atmen“ in der Sektion „Quinzaine des réalisateurs“ den Preis als bester europäischer Spielfilm.

Die Berliner Nachwuchsregisseurin Doroteya Droumeva, Studentin der Deutschen Film- und Fernsehakademie, erhielt für ihr 30-minütiges Werk „Der Brief“ den Hauptpreis des Kurzfilmprogramms „Cinéfondation“.