Studie: Fernsehen macht unzufrieden
Vielseher vergleichen sich mit den schönen und reichen TV-Helden und finden ihr eigenes Leben deshalb oft frustrierend.
Berlin. Zu viel Fernsehen macht dick und dämlich — davon sind Medienexperten, Psychologen und Pädagogen schon länger überzeugt. Doch ein hoher TV-Konsum macht auch unzufrieden, wie neue Studien ergeben haben. Denn wer viel guckt, vergleicht den materiellen Wohlstand oder das gute Aussehen von Fernsehfiguren automatisch mit seinen persönlichen finanziellen Verhältnissen und seinem eigenen Äußeren. „Dieser Vergleich fällt für die Zuschauer meist negativ aus“, schreibt der Medienwissenschaftler Uli Gleich, der für die ARD-Forschung neue Untersuchungen zum Thema ausgewertet hat — Frust ist die Folge.
Tatsächlich herrscht vor allem in Spielfilmen und Serien häufig ein beachtlicher Wohlstand. Zudem wird nicht selten eine soziale Realität vorgegaukelt, die es gar nicht gibt. Da wohnt der Hauptkommissar aus dem TV-Krimi im teuren Designer-Appartement, der völlig abgebrannte Held der Seifenoper fährt einen flotten Sportwagen, und die geschiedene, alleinerziehende Mutter trägt bei der Suche nach dem Mann ihres Lebens in der romantischen US-Komödie das todschicke Seidenkleid eines Edelschneiders.
Mehrere vom Medienexperten Uli Gleich ausgewertete US-Studien, für die Hunderte Personen befragt wurden, weisen nach, dass viele Fernsehzuschauer den dargebotenen Luxus mit den eigenen finanziellen Möglichkeiten abgleichen — und wegen der Diskrepanz verständlicherweise unzufrieden sind. Personen mit geringem Einkommen und Zuschauer, die sich intensiv auf das Geschehen einlassen, sind zudem wesentlich anfälliger für den Fernseh-Frust als besser Situierte oder distanzierte Zuseher.
Doch nicht nur auf Haus, Auto und Jacht so mancher Fernsehfigur sind Zuschauer unbewusst neidisch, sondern auch auf das gute Aussehen von TV-Stars. Die amerikanische Psychologin Angela Kay Belden etwa befragte 310 Zuschauer im Durchschnittsalter von 40 Jahren zu ihren TV-Gewohnheiten und ihren Einstellungen gegenüber dem eigenen Aussehen.
„Es zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen hohem Fernsehkonsum und der Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper“, fasst Uli Gleich das Ergebnis der Studie zusammen. Besonders selbstkritisch waren Zuschauerinnen, die regelmäßig bei den langbeinigen Bewerberinnen in Castingshows wie „America’s Next Topmodel“ oder Heidi Klums deutscher Entsprechung „Germany’s Next Topmodel“ einschalteten.
Extrem unzufrieden mit dem eigenen Äußeren waren der Studie zufolge auch die Anhängerinnen von Hochglanzserien wie „Sex and the City“, in denen topmodisch und teuer gekleidete und gut aussehende Frauen die Hauptrolle spielen.
Natürlich wissen die meisten Zuschauer, dass es sich bei den schicken Serienladys aus Manhattan und Konsorten um fiktionale Figuren handelt, die mit der eigenen Lebenswelt nichts zu tun haben. Doch die Suggestivkraft des Fernsehens bewirkt, dass es in vielen Fällen trotzdem zum verhängnisvollen Abgleich kommt, denn: „Soziale Urteile und Prozesse in Bezug auf die Darsteller im Fernsehen ähneln denen, die auch in der wirklichen Welt stattfinden“, schreibt Uli Gleich.
So zeigen Studien, dass für Menschen mit einem ausgeprägten Fernsehkonsum die Unterschiede zwischen realen Menschen aus dem nächsten sozialen Umfeld und fiktiven Figuren häufig verschwimmen.