"Tatort"-Kritik "Tatort: Der Fall Holdt": Die traumatisierte Kommissarin scheitert an einem mäßigen Fall

Der Tatort „Der Fall Holdt“ ist zäh und überraschungsarm. Minutiös wird das berufliche Scheitern von Kommissarin Lindholm dargestellt. Der Zuschauer wird mit einer Mischung aus Mitleid und Fremdscham zurückgelassen.

Foto: Marion von der Mehden/NDR/dpa

Die Bankiersfrau Julia Holdt (Annika Martens) wird entführt. In heller Panik bittet ihr Ehemann Frank Holdt (Aljoscha Stadelmann), Leiter einer örtlichen Bank, seine Schwiegereltern Christian und Gudrun Rebenow (Ernst Stötzner und Hedi Kriegeskotte) um Hilfe bei dem geforderten Lösegeld. Gegen den ausdrücklichen Willen von Holdt informiert der Schwiegervater die Polizei; daraufhin überbringt Holdt das Geld im Alleingang.

Soviel zur eigentlich vielversprechenden Ausgangslage des aktuellen Tatort aus Niedersachsen. Dem Zuschauer wird aber schnell klar, dass es eigentlich nicht um den „Fall Holdt“, sondern um den „Fall Lindholm“ geht.

Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler).

Foto: Marion von der Mehden

Die Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) wurde von mehreren Männern gedemütigt und zusammengeschlagen. Seitdem leidet sie unter den traumatischen Folgen der Gewalterfahrung. Lindholm zieht sich zurück, hat sich krank gemeldet, nimmt den Fall dann aber trotzdem an. Aber es ist nichts mehr wie zuvor: Die traumatisierende Gewalterfahrung nimmt ihr die Fähigkeit rational und mit professioneller Distanz zu arbeiten. Das wird über 90 Minuten in allen Facetten dargestellt. Der Entführungsfall wird zweitrangig.

Die konsternierte Kommissarin Lindholm, überzeugend und glaubhaft von Maria Furtwängler gespielt, lässt nach der Gewalterfahrung aus Scham niemanden an sich ran und versucht das Erfahrene alleine zu verarbeiten.

Unkonzentriert und emotionalisiert verrennt sie sich in eine Theorie und scheitert. Die ehrgeizige Kollegin Frauke Schäfer (Susanne Bormann) übernimmt den Fall und die alte, kaputte Kommissarin zieht sich ins Private zurück. Die Filmemacher (Regie: Anne Zohra Berrached; Buch: Jan Braren) zeigen hier keinen Krimi, sondern ein berufliches Scheitern im Zeitlupentempo. Der Tatort ist zäh und überraschungsarm. Minutiös wird der tiefe Fall der Kommissarin ausgestellt und der Zuschauer oszilliert dabei zwischen Mitleid und Fremdscham.

Auch aus filmischer Sicht ist der Tatort eine Enttäuschung. Nach zehn Minuten steht ein Hauptverdächtiger fest. Bis zum Filmende bleibt Holdt der einzige Verdächtige. Die Indizien und Vermutungen von Lindholm erhärten sich aber nicht. Der Zuschauer erwartet im Finale entweder die große Wende oder eine überzeugende Überführung des Verdächtigen, stattdessen bekommt er einen ungelösten Fall mit einem offenen Ende serviert.

Die Zukunft von Kommissarin Charlotte Lindholm bleibt auch offen. Der LKA-Chef verabschiedet sie mit den Worten: „Sie sind eine gute Polizistin und jeder hat auch mal einen schwarzen Tag, aber sie hatten ein paar zu viele. Gehen sie nach Hause. Schlafen sie sich aus. Sie haben es einfach zu nahe an sich herangelassen.“ Wurde sie suspendiert, beurlaubt, gefeuert? Wirklich klar wird das nicht.

Dieser dramaturgische Coitus interruptus entspricht den selbst auferlegten Standards der Tatort-Macher: Die Fälle sollen möglichst realitätsnah sein. Nicht jeder Kriminalfall wird gelöst, folglich darf auch nicht jeder Tatort ein befriedigendes Ende haben. Die Aufgabe wird mit Brillanz gelöst, allerdings auf Kosten des Sehvergnügens. Aus filmischer Sicht haben die Macher hier definitiv versagt.