"Tatort"-Kritik "Tatort: Zwei Leben": Der Schweizer Krimi überzeugt durch eine beklemmende Atmosphäre
Im Schweizer Tatort "Zwei Leben" wird aus einem vermeintlichen Suizid ein hochdramatisches Racheszenario. Ein vermeintlich klarer Fall weiß zum Ende hin zu überraschen.
Ein Mann springt von einer Brücke. Er wird von einem Fernbus überrollt und ist sofort tot. Der Busfahrer (Michael Neuenschwander) - ein ehemaliger Bahnfahrer, der in seinem Berufsleben schon zwei Suizide miterleben musste - wird durch die traumatischen Erfahrungen aus dem Leben gerissen. Die psychischen Probleme bringen ihn beruflich wie privat vor einen Scherbenhaufen.
Als sich andeutet, dass es sich nicht um einen Suizid, sondern um einen Mord handelt, ist er davon überzeugt den Schuldigen für seine Misere zu stellen.
Der Schweizer Tatort „Zwei Leben“ (Regie: Walter Weber; Drehbuch: Felix Benesch, Mats Frey) besticht durch eine beklemmende Atmosphäre, die besonders im der ersten Hälfte spürbar wird. Die immer wiederkehrenden düsteren Bilder von der kalten, nassen Herbstnacht dominieren den Beginn des Films. Der Zuschauer ist zwischen Empathie und Abneigung für den Busfahrer Beni Gisler (Michael Neuenschwander) hin und her gerissen. Das psychische Leid und das innere Dilemma von Beni Gisler ist deutlich spürbar und schafft eine bedrückend, beklemmende Atmosphäre.
„Zwei Leben“ ist in dieser Hälfte mehr eine Psychologiestudie, denn ein Krimi. Die Handlung scheint klar, die wenigen Verdächtigen offensichtlich und nachvollziehbar, trotzdem bleibt der Film durch Gislers zunehmend unkontrollierteres Verhalten spannend.
In der zweiten Hälfte dreht sich dann die Erzählung, die eigentliche Handlung nimmt an Fahrt auf. Jakob Contis (Marko Graf) Stiefsohn Marco Conti (Roland Bonjour; stand bereits in der vergangenen Woche im Stuttgarter „Tatort: Stau“ unter dringendem Tatverdacht) hat scheinbar die passenden Motive und ein schwammiges Alibi, als Beni Gislers eigenen Fahdungsversuche zu einer gänzlich anderen Spur führen.
Der Titel „Zwei Leben“ bezieht sich nicht nur auf das Doppelleben des vermeintlichen Selbstmörders Conti, der nach seinem vermeintlichen Unfalltod ein neues Leben in Thailand anfing, sondern auch auf die vielen einzelnen Brüche und Scharaden in den Leben der anderen Charaktere. Am offensichtlichsten fallen die zwei Leben des Busfahrers ins Auge, vor und nach seinen traumatischen Erlebnis: ehemals mit Frau und Kind, lebt er jetzt alleine, von Panikattacken geplagt und schließlich arbeitslos in seiner kargen Wohnung.
Und natürlich das Doppelleben der Psychologin Dr. Silvia Roth (Stephanie Japp), deren selbstdisziplinierte, bürgerliche Fassade kippt, als der totgeglaubten Jakob Conti (Markus Graf) vor ihr steht. Der Mann, den sie als Projektion für alles Misslungene sieht: Leben, Liebe und Karriere hat er ihr zerstört.
Der auf den ersten Blick scheinbar leicht durchschaubare Krimi wandelt sich zu einem doppelbödigen Psychogramm. Ein dramatischer Showdown rundet den gelungenen Tatort ab.