"Tatort"-Preview: Brutale „Brüder“ in Bremer Unterwelt
Der Bremer „Tatort“-Fall „Brüder“ setzt sich mit den Aktivitäten eines arabisch-türkischstämmigen Clans in der Weserstadt auseinander. Eindringlich und durchaus nicht immer politisch korrekt inszeniert Florian Baxmeyer in seinem Thriller die Ohnmacht des Rechtsstaats.
Berlin/Hamburg (dpa). Eben hat sie im Streifenwagen noch Musik gehört und gesungen. „Es hätte eine so schöne Nacht werden können“, sagt die junge Schutzpolizistin, als sie mit ihrem Kollegen David Förster (Christoph Letkowski, „Feuchtgebiete“) in ein abgelegenes Bremer Hafengebiet gerufen wird.
Ein Mann fühlt sich dort bedroht. Nur Minuten später eskaliert der Einsatz, Menschen werden besonders brutal verletzt. Anscheinend haben die beiden Ordnungshüter Aktivitäten eines kriminellen Clans gestört. Als die Hauptkommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) eintreffen, sind Polizist und Anrufer verschwunden. Indizien deuten darauf hin, dass zumindest der unbekannte Mann ermordet wurde.
Florian Baxmeyers packend und durchaus nicht immer politisch korrekt inszenierter Bremer „Tatort“-Fall „Brüder“ - am Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD zu sehen - führt die Zuschauer in eine abgründige Parallelwelt inmitten der deutschen Gesellschaft. In krassen, kalten Bildern (Kamera: Marcus Kanter) zeigt sein Thriller die gnadenlosen Aktivitäten einer arabisch-türkischstämmigen Großfamilie, die ihre Geschäfte mit Prostitution, Waffen und Drogen knallhart im Griff hat.
Da werden schon mal Zeugen eingeschüchtert oder verschwinden spurlos. Ein in der Sauna bedrohter Richter hebt anschließend eine Gerichtsverhandlung auf. Und wenn Gangsterboss Hassan Nidal sagt, „Nicht vergessen, ich bin hier das Gesetz“, dann bringt er das Selbstverständnis des Clans auf den Punkt, der die Gewalthoheit des Rechtsstaats zynisch mit Füßen tritt.
Es ist bereits die neunte „Tatort“-Arbeit des 1974 in Essen geborenen, 2003 in Los Angeles mit dem Studenten-Oscar ausgezeichneten Baxmeyer. Im vergangenen Jahr hatte er mit „Puppenspieler“ und „Er wird töten“ gleich beide Radio-Bremen-Beiträge geschaffen. Sein aktueller Fall - eine Bremedia-Produktion im Auftrag von Radio Bremen und WDR - entstand nach dem Drehbuch des dreifachen Grimme-Preisträgers Wilfried Huismann (63, „Das Totenschiff“) und Dagmar Gabler („Close“).
In einem Interview äußerte sich Gabler zur Wirklichkeitsnähe ihrer in Bremen und andernorts recherchierten Geschichte. „Der Stoff ist delikat. Das Geschehen in unserem Film und in der Realität ist von Rassismen und vermeintlicher "political correctness" geprägt. Gleichzeitig nimmt die Gewalt weiter zu“, sagte die Autorin. Das wird auch den Ermittlern Lürsen und Stedefreund schnell klar. Aller Gefahr zum Trotz sind sie fest entschlossen, den Fall aufzuklären.
Ihre persönlichen Angelegenheiten bleiben diesmal im Hintergrund - konsequent geht es allein um die organisierte Clan-Kriminalität. Als Polizist Förster am nächsten Tag blutüberströmt wieder auftaucht, schweigt er sich zu dem Vorfall aus - warum? Die beiden Kommissare geraten in ein Netz aus Gewalt und Drohungen.
Dabei will Förster die Täter im Alleingang zu Strecke bringen - nur mit Hilfe seines alten Freundes, Kollegen und Hassan-Bruders „Sunny“ (Matthias Weidenhöfer), der sich vom Clan losgesagt hat. Oder muss man - wie im Film zu hören ist - etwa sagen, „einmal Nidal, immer Nidal“? Das Ende ist genauso beunruhigend wie die ganze Story.