Überblick Berlinale-Wettbewerb: Top oder Flop?
Berlin (dpa) - Bei der 64. Berlinale sind 20 Filme aus aller Welt im Rennen um den Goldenen Bären. Die Nachrichtenagentur dpa schätzt die Wettbewerbsfilme mit Pro und Contra ein.
„Grand Budapest Hotel“ von Wes Anderson: Skurrile Story um ein Luxushotel, seinen Concierge, einen Mord und ein wertvolles Gemälde. PRO: Ein Star-Ensemble mit Ralph Fiennes, Bill Murray, Willem Dafoe, Léa Seydoux und Edward Norton in allerbester Spiellaune. CONTRA: Der sonst für Anderson-Filme typische, leicht tragische Unterton hätte markanter ausfallen können.
„Jack“ von Edward Berger: Zwei von ihrer Mutter vernachlässigte Jungen irren durch Berlin. PRO: Ein Blick auf die raue Lebenswirklichkeit zweier starker Kinder. CONTRA: Die strenge Erzählweise könnte ungeduldige Zuschauer abschrecken.
„Two Men in Town“ („La voie de l'ennemi“) von Rachid Bouchareb: Forest Whitaker als Polizistenmörder, der nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis ein neues Leben aufbauen will. Brenda Blethyn ist als seine Bewährungshelferin zu sehen. PRO: Von exzellenten Darstellern gespielte Anklage einer von Vorurteilen geprägten Gesellschaft. CONTRA: Die Story ist sehr vorhersehbar, das schmälert die sozialkritische Wirkung.
„'71“ von Yann Demange: Ein junger britischer Soldat gerät Anfang der 70er Jahre im Nordirland-Konflikt zwischen die Fronten. PRO: Action- und Thriller-Elemente erzeugen Spannung. CONTRA: Die Auseinandersetzung mit den Ursachen des Bürgerkrieges rückt wegen der actionlastigen Handlung fast in den Hintergrund.
„Die geliebten Schwestern“ von Dominik Graf: Tragische Liebesgeschichte zwischen dem Dichter Friedrich Schiller und den Schwestern Caroline von Beulwitz und Charlotte von Lengefeld. PRO: Kunstvoll inszenierte und prächtig ausgestattete Erzählung um eine fragile Dreiecksbeziehung. CONTRA: Sehr theatralisch erzählt und mit 170 Minuten zu lang.
„Kreuzweg“ von Dietrich Brüggemann: Die 14-jährige Maria und ihre Familie folgen der strengen katholischen Lehre der Priesterbruderschaft. Der Glaube bringt das Mädchen aus Angst vor Sünde auf einen fatalen Weg. PRO: Formal beeindruckende Parabel über die Folgen von Fanatismus, erzählt anhand der Stationen des katholischen Kreuzwegs. CONTRA: Vor der strengen Stilistik tritt die Geschichte manchmal in den Hintergrund.
„Historia del miedo“ (Geschichte der Angst) von Benjamin Naishtat: In einer sogenannten Gated Community vor den Toren von Buenos Aires haben sich die Wohlhabenden abgeschottet. Als der Strom ausfällt, geraten die Bewohner in Panik. PRO: Absurdes und Surreales wird kombiniert mit einer sozialkritischen Geschichte CONTRA: Die verrätselte Story trägt nicht über die gesamte Filmlänge.
„Tui Na“ (Blind Massage) von Ye Lou: Ein Kaleidoskop über den Alltag einer medizinischen Massagepraxis in einer chinesischen Großstadt, in der stark sehbehinderte und blinde Menschen arbeiten. PRO: Die Geschichte um Liebe und Leid der Masseurinnen und Masseure verdichtet sich zu einem Panorama gegenwärtigen Lebens der sogenannten kleinen Leute in China. CONTRA: Ein Zuviel an sentimentalen Szenen rückt die Geschichte zu sehr ins Kitschige.
„Kraftidioten“ von Hans Petter Moland: Der schwarzhumorige Thriller zeigt bluttriefend und trickreich, wie der Vater eines Ermordeten seine Rachefantasien an Größen der Drogenmafia wahr macht. PRO: Stars wir Stellan Skarsgard und Bruno Ganz ergänzen den zündenden Witz mit schauspielerischer Klasse. CONTRA: Einige Szenen schockieren mit brutalen Momenten voller Mord und Totschlag.
„Aimer, boire et chanter“ (Lieben, Trinken und Singen) von Alain Resnais: Der Regie-Altmeister hat Alan Ayckburns Bühnenhit um eine Amateurschauspieltruppe, die um einen kranken Freund bangt, als knallige „Theater im Film“-Farce inszeniert. PRO: Die geschliffenen Dialoge und das distinguierte Spiel der Akteure sind ein Fest für Theaterfans. CONTRA: Filmfans werden von der in deutlich künstlichen Kulissen angesiedelten Bühnenadaption in ihren Erwartungen an Spannung, Dramatik und effektvollen Bildern nicht bedient.
„Zwischen Welten“ von Feo Aladag: An Originalschauplätzen gedrehte Geschichte über die schwierige Mission der Bundeswehr in Afghanistan. PRO: Spannend wie ein Krimi wird der Konflikt eines deutschen Soldaten zwischen Befehl und Gewissen erzählt. CONTRA: Ein bisschen zu didaktisch.
„Praia do Futuro“ (Strand der Zukunft) von Karim Ainouz:Brasilianischer Rettungsschwimmer verliebt sich in deutschen Touristen und folgt ihm nach Berlin. PRO: Die ruhige Erzählweise gibt der schwulen Lovestory eine schöne Selbstverständlichkeit. CONTRA: Es fehlt an Dramatik und mitreißender emotionaler Tiefe.
„Stratos“ von Yannis Economides: Ein Profikiller wird zum fragwürdigen Symbol einer sozial und ökonomisch desolaten bürgerlichen Gesellschaft. PRO: Hauptdarsteller Vangelis Mourikis trägt den Film mit stoischer Ausdruckskraft. CONTRA: Viele Klischees, aufgesetztes Ende.
„La tercera orilla“ (Das dritte Ufer) von Celina Murga: Ein Junge leidet darunter, dass sein Vater ein Doppelleben mit zwei Familien führt. PRO: Einfühlsames Drama um die Selbstfindung eines Heranwachsenden in einer Macho-Gesellschaft. CONTRA: Über das dramatische Ende kann man streiten.
„Aloft“ von Claudia Llosa: Psychodrama um eine selbsternannte Wunderheilerin. PRO: Beeindruckende Aufnahmen kanadischer Schneelandschaften spiegeln die Seelenlage der Figuren. CONTRA: Die Charaktere bleiben zu vage, um den Zuschauer mitfühlen zu lassen.
„Bai Ri Yan Huo“ (Black Coal, Thin Ice) von Yinan Diao: Die Aufklärung einer Jahre zurückliegenden Mordserie wird zu einem düsteren Puzzle aus Liebe, Rache und sexueller Gier. PRO: Unterhaltsamer Krimi mit einer der originellsten Mordszenen der Filmgeschichte. CONTRA: Die Story taumelt durch ein Gestrüpp kaum zu überblickender Handlungsstränge.
„Wu Ren Qu“ (No Man's Land) von Hao Ning: Unbedarfter Anwalt auf einem tödlichen Roadtrip durch die Wüste. PRO: Feinstes Genrekino, fernöstlicher Actionthriller im Western-Stil. CONTRA: Sehr brutal.
„Boyhood“ von Richard Linklater: Langzeit-Spielfilmprojekt, für das über einen Zeitraum von zwölf Jahren die selben Darsteller jedes Jahr vor die Kamera geholt wurden. PRO: Faszinierendes Porträt eines Kindes und Heranwachsenden. CONTRA: Mit 164 Minuten Länge fordert der Film etwas Geduld vom Zuschauer.
„Macondo“ von Sudabeh Mortezai: Ein tschetschenischer Junge lebt mit seiner Mutter und zwei jüngeren Schwestern in der Flüchtlingssiedlung Macondo am Wiener Stadtrand. PRO: Interessantes Porträt eines Jungen, der nach dem Tod des Vaters seine Rolle in der Familie und Gesellschaft sucht. CONTRA: Zu schlicht und mit zu vielen Klischees inszeniert.
„Chiisai Ouchi“ (Das kleine Haus) von Yoji Yamada: Ein Dienstmädchen in einem bürgerlichen Tokioter Haushalt gerät in einen Gewissenskonflikt, als es von der Untreue der Hausherrin erfährt. PRO: Warmherzige, detailreich verfilmte Lebensgeschichte, die geschickt in den historischen Kontext der 1940-er Jahre eingebettet ist. CONTRA: Manchen Zuschauer könnte stören, dass die Story optisch wie ein Theaterstück oder Manga in Szene gesetzt ist.