„Verschieben Sie das Altwerden“

Woody Allen grantelt über das Leben und träumt von Manhattan im Dauerregen.

Mister Allen, herzlichen Glückwunsch - Sie werden am Mittwoch 75 Jahre alt. Würden Sie gern 100 werden und weiter Filme machen?

Allen: Wenn ich fit wäre, gerne! Aber nicht, wenn ich mich an einen Gehwagen kralle und sabbere. Vielleicht habe ich ja Glück, meine Eltern sind auch sehr alt geworden. Jedenfalls hat sich meine Einstellung zum Tod nicht verändert: Ich lehne ihn strikt ab! Ich bin eben ein großer Feigling.

Allen: Unbedingt! Schon als kleiner Junge hatte ich eine düstere Lebenseinstellung. Für mich ist unsere Existenz eine schmerzhafte, albtraumhafte und völlig sinnlose Erfahrung! Glücklich kann man nur sein, wenn man sich selbst belügt.

Allen: Ich habe mir einige Strategien verordnet, um weiterzumachen. Filme machen einen großen Teil davon aus. Als Junge bin ich aus meiner furchtbaren Schule oft ins Kino geflohen und habe Cary Grant und Humphrey Bogart bewundert. Jetzt vertreibe ich mir das Jahr mit Naomi Watts, Penelope Cruz und anderen schönen Menschen. Filme zu machen ist eine wunderbare Methode, um nicht übers Leben nachzudenken, sondern über Kostüme.

Allen: Das macht keinen Spaß, wenn man nicht mehr derjenige ist, der am Ende das Mädchen bekommt! Ich bin nur noch der Regisseur, der alte Knacker, der am Rand des Sets sitzt!

Allen: Mir macht das Arbeiten Spaß. Genau so viel Spaß macht es mir, Musik und Sport im Fernsehen zu schauen. Ich führe ein ganz normales Leben, samt Arbeit. Ich stehe früh auf, bringe die Kinder zur Schule, gehe auf mein Fitnessgerät, um gesund zu bleiben. Dann schreibe ich etwas, übe Klarinette und gehe mit meiner Frau spazieren. Ganz bourgeois.

Allen: Dann nehme ich die Routine einfach mit. Das Fitnessgerät wird dort ins Haus gestellt, ich stehe früh auf... Nur die Kinder müssen im Sommer nicht zur Schule. Dann geh’ ich direkt morgens an den Set. Ja, ich bin recht langweilig. Und das sage ich nicht aus falscher Bescheidenheit. Okay, ich bin vielleicht gar nicht SO langweilig, aber mein Leben ist langweilig.

Allen: Wenn man schreibt, interessiert man sich für Dinge, die falsch laufen. Wenn alles gut läuft, gibt’s keine Geschichte. Wenn Naomi Watts und Josh Brolin in "Ich kenne den Mann Deiner Träume" ein glückliches Paar wären, wäre es doch grotesk langweilig. Sollen wir ihnen dabei zuzuschauen, wie sie jeden Morgen aufstehen, frühstücken ..?

Allen: Oh ja - endlich mal soviel Regen einsetzen, wie ich will! Das habe ich bisher nie durchsetzen können, das ist zu teuer. Das Drehbuch dazu habe ich schon vor Jahren geschrieben: "Manhattan in the Rain". New York durch Gehen im Regen zu zeigen, davon träume ich noch.

Allen: Ich fürchte, ich bin selten inspiriert. Ich habe ja früher fürs Fernsehen geschrieben. Da kam ich montags ins Büro, und am Samstag lief die Sendung. Da schreibt man einfach, da wartet keiner auf die Muse. Seitdem kann ich das: Ich gehe in mein Schlafzimmer, setze mich, starre wie ein Zombie vor mich hin und schreibe einfach.

Allen: Es ist lausig! Das Älterwerden hat keinen einzigen Vorteil. Ich bin weder klüger, noch weiser, gelassener oder milder geworden. Es hat aber auch gar nichts Gutes: Der Rücken tut öfter weh, du siehst nicht mehr gut, hast Verstopfung und brauchst ein Hörgerät. Alt zu werden, ist ein ganz mieses Geschäft. Ich kann nur davon abraten. Halten Sie sich lieber ans Jungsein, schnappen sich einen tollen Kerl und verschieben Sie das Ganze um mindestens zwei Jahre!