Wenn Poesie auf Politik trifft
Düsseldorf. Die Iranerin Shirin Neshat spricht im Interview mit der WZ über ihren Film „Women without men“, den sie in Köln beim Filmkongress präsentierte.
Neshat: Es waren viele Schritte. Das Projekt dauerte fast sieben Jahre. Das Drehbuch war sehr kompliziert für mich, weil ich so etwas vorher noch nie geschrieben habe. Für meine Videos arbeite ich mit Menschen, als wenn sie Skulpturen wären, also ein eher äußerlicher Ansatz. Bei "Women without men" musste ich mich aber mit den inneren Befindlichkeiten befassen. Der ganze Film muss eine Qualität und Logik haben, die die Zuschauer 90 Minuten in ihren Sitzen halten.
Neshat: Ja, ich war seit 1996 nicht mehr im Iran. Wir haben viele Bücher gelesen und Dokumentationen gesehen. 1953 herrschte eine sehr komplizierte politische Lage im Iran: Es gab die Kommunisten, die Schah-Anhänger, die Mossadegh-Anhänger, die Pro-Westlichen-Anhänger.
Wir wollten nicht für eine Seite Partei ergreifen. Es war schwer, alle Informationen so unterzubringen, dass die Menschen im Westen den Film verstehen, ohne dass er wie eine Dokumentation wirkt. Der Film hat einen allegorischen und poetischen Ansatz und spiegelt gleichzeitig die sozio-politische Realität. Das ist typisch iranisch. Denn der Iran macht heute hauptsächlich durch zwei Dinge auf sich aufmerksam: durch Poesie und durch Politik.
Neshat: Die Leute aus dem Iran schicken mir Nachrichten auf Facebook. Viele haben den Film schon auf DVD gesehen. Häufig werden sie dann nostalgisch, wenn sie ihr eigenes Land in einer anderen Zeit sehen. Die jungen Menschen wissen oft gar nicht, wie der Iran zu der Zeit war, wie die Frauen aussahen. Wie und warum Mossadegh damals bekämpft wurde, ist ein sehr emotionales Thema für Iraner.
Neshat: Es gibt viele Diskussionen darüber, ob man eine Feministin ist, weil man als Frau einen Film über Frauen macht. Wenn ein Mann ein Film über Männer macht, ist er ein Maskulinist? Meine ganzen Arbeiten haben sich mit Frauen beschäftigt, und ich kämpfe für Frauenrechte. Aber ich zögere, meinen Film auf Feminismus zu reduzieren, auch wenn der Titel das suggeriert. Er handelt von Frauen genauso wie von dem Land Iran.
Neshat: Der Iran ist sicher eines der schwierigsten Länder zum Leben zurzeit, und doch stehen die Künstler im Zentrum des politischen Diskurses. Das ist eigentlich ironisch: Wir bekommen keine Unterstützung für unsere Arbeit, müssen im Exil leben oder kommen im Iran ins Gefängnis, und zugleich sind wir die größte Bedrohung für die Regierung. Die Künstler sind die Stimme der iranischen Menschen. Das gibt einem Kraft, aber setzt einen auch unter Druck.