Cannes: Goldene Palme nach Thailand
Juliette Binoche wurde zur besten Schauspielerin gekürt. Kollege Javier Bardem teilt sich den Preis mit Elio Germano.
Cannes. Vaterfiguren und Franzosen sind die großen Sieger von Cannes - und das thailändische Volk, das bei blutigen Kämpfen um die politische Macht Tote zu beklagen hat. Mit der Goldenen Palme für den Thailänder Apichatpong Weerasethakul zeichnete die Jury unter Tim Burton einen unbequemen Filmemacher aus.
"Das ist ein wichtiges Ereignis für das thailändische Kino", sagte der 39- jährige Regisseur am Sonntagabend in seiner Dankesrede. In seiner Heimat wurde die Goldene Palme für den Film "Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives" als Balsam für die geschundene Seele eines Volkes gefeiert.
So mag die Entscheidung für das surrealistisch anmutende, auch mit deutschem Geld koproduzierte Werk eine politische gewesen sein, zugleich ist es aber eine für feinstes Arthouse-Kino. Apichatpong erzählt in Traumsequenzen von einem todkranken Mann, der die beiden letzten Tage seines Lebens bei seiner Familie auf dem Land verbringen will. Dabei setzt er vor allem auf die Vorstellungskraft der Zuschauer.
Lassen die sich auf die metaphysische Reise ein, erliegen sie dem Zauber dieser für viele Europäer fremden Welt. Wer weniger Affinitäten zu Übersinnlichem hat, mag Langeweile verspüren. Die Massen wird "Uncle Boonmee" daher wohl kaum in die Kinos locken. Koproduzent Hans W. Geißendörfer hofft, dass die Goldene Palme "auch einen deutschen Verleiher ermutigt, den Film bei uns in die Kinos zu bringen".
Bei anderen Hauptpreisen entschied sich die Jury für Favoriten und eingängigere Filme. Jeweils drei gingen an Beiträge, in denen es um Vaterrollen geht und drei nach Frankreich.
Da ist der Spanier Javier Bardem - ohnehin einer der wenigen Superstars bei dem 63. Festival an der Croisette. Er spielt in "Biutiful" einen todkranken Vater, der seinen beiden Kindern noch schnell ein besseres Leben vorbereiten will. Den Preis muss sich Bardem mit dem Italiener Elio Germano in "La Nostra Vita" von Daniele Luchetti teilen. Auch der verkörpert einen Vater, der nach dem Tod seiner Frau mit seinen drei kleinen Kindern plötzlich auf sich selbst gestellt ist.
Als einer der tragischsten Filme dürfte der mit dem Preis der Jury honorierte Beitrag aus dem Tschad gelten. In "A Screaming Man" erzählt Mahamt-Saleh Haroun von einem Vater-Sohn-Konflikt vor dem Hintergrund des vom Bürgerkrieg erschütterten Landes.
Und dann waren da noch die Franzosen, die in Cannes abräumten: Filmemacher und Schauspieler Mathieu Amalric erhielt die Auszeichnung für die beste Regie ("Tournee"); Xavier Beauvois wurde für sein Drama "Des Hommes Et Des Dieux" ausgezeichnet, bei dem katholische Mönche in Nordafrika in Gewissenskonflikte geraten, als der Terror muslimischer Fanatiker ihr Kloster erreicht.
Die dritte im Bunde, Juliette Binoche, wurde für ihre Rolle in "Copie Conforme" des Iraners Abbas Kiarostami zur besten Schauspielerin gekürt. In ihrer Dankesrede verwies sie auf das Schicksal des iranischen Regisseurs Jafar Panahi, der zwei Monate in Teheran im Gefängnis saß. In der Nacht zu Montag soll er freigelassen worden sein, hieß es von Seiten der iranischen Opposition. Er war wegen der Planung eines regimekritischen Films verhaftet worden.