Cannes: Was es heißt, Agent zu sein
Regisseur Doug Liman drehte mit Naomi Watts und Sean Penn den Thriller „Fair Game“. Es ist der einzige US-Beitrag zum Filmwettbewerb.
Cannes. "Invitation. S.V.P." - eine Einladung bitte - steht auf den Pappschildern. An diesem Morgen warten sehr viel mehr Kartensucher als gewöhnlich vor dem Festival-Palais in Cannes. Und das früh um 7.45 Uhr!
Kein Wunder, denn der einzige amerikanische Wettbewerbsbeitrag steht auf dem Programm. Am Abend wird die Filmcrew von "Fair Game" im Blitzlichtgewitter über den roten Teppich schreiten, morgens dagegen, im nüchternen Licht der Sonne, wirkt der berühmte Teppich nur abgelatscht und fleckig. Die Besucher eilen darüber hinweg, der Glamour fehlt.
Was man vom bisher eher mittelmäßigen Wettbewerb des Filmfestivals nicht sagen kann. Javier Bardem, Pénélope Cruz, Michael Douglas, Russel Crowe, Naomi Watts, Juliette Binoche - alle kamen zur Premiere ihrer Filme geeilt. Sean Penn jedoch sagte in letzter Sekunde ab, seinen neuen Film "Fair Game" zu präsentieren. Er wurde vor dem US-Senat befragt: Es ging um die Erdbeben-Hilfe für Haiti, die Penn auch mit seiner eigenen Stiftung unterstützt.
Dabei hätte der politisch engagierte Schauspieler sicher auch in Cannes einiges zu sagen gehabt. Denn in "Fair Game" verkörpert er den Diplomaten Joe Wilson, der bereits früh öffentlich bezweifelte, dass es im Irak Massenvernichtungsmittel gibt. Zuvor hatte er angebliche Uranium-Lieferungen aus Afrika untersucht und keine Beweise finden können. Die USA ignorierten ihn und zogen kurz danach in den Krieg.
Wilsons Bekenntnis führte zu einem Skandal, in dessen Folge seine Frau, die CIA-Agentin Valerie Plame (Naomi Watts), enttarnt und kalt gestellt wurde. Der Film basiert auf dem wahren Fall, der 2003 nicht nur Washington in Aufruhr versetzte. Die Agentin und ihr Ehemann sind seitdem untergetaucht.
Warum ausgerechnet Action-Regisseur Doug Liman für "Fair Game" ausgewählt wurde, bleibt schleierhaft. Vielleicht weil er mit "Bourne-Identität" und "Mr. und Mrs. Smith" schon Erfahrung mit Agentenfilmen vorweisen kann? Leider merkt man dem Film an, dass der Regisseur nicht so richtig wusste, wohin er den Stoff lenken sollte. Politthriller, Medienkritik, Antikriegsfilm oder doch eher ein Ehedrama? Liman selbst findet seinen Film nicht politisch. Ihn habe mehr interessiert, wie die beiden "unglaublichen Charaktere sich mitten in einem politischen Skandal" verhalten und was es heutzutage heißt, ein Agent zu sein, sagt er auf der Pressekonferenz.
Wahrscheinlich hätte auch das ein richtig guter Film werden können, wenn sich Liman auf das ungewöhnliche Familienleben der beiden Figuren fokussiert hätte und nicht noch versuchen würde, das ganze politische Drumherum im Spiegel der Medien mit unruhiger Kamera einzufangen.
Denn diese Ehe ist alles andere als alltäglich: Valerie schleicht sich morgens aus dem Haus und sagt ihrem Ehemann, der die Kinder hütet, dass sie heute nur nach Cleveland fahre. In Wirklichkeit aber fliegt sie in heikler Mission in den Mittleren Osten, wo sie eine streng geheime Operation auf der Suche nach Atomwaffen leitet. Bei den Treffen mit befreundeten Pärchen vermeidet Valerie Gespräche über Politik und mimt ganz die unauffällige Software-Spezialistin.
Naomi Watts und Sean Penn geben erneut (nach "21 Gramm") ein reizvolles Paar ab: sie klug, mutig und diplomatisch, er direkt, aufbrausend und idealistisch. Am Ende steht für die beiden Agenten nicht so sehr im Vordergrund, den Skandal zu vermeiden, sondern einfach nur ihre Ehe zu retten. Wie bei normalen Menschen auch.