Filmförderung Komödien bevorzugt? - Filmemacher sehen Actionfilme und Co. vernachlässigt

Düsseldorf · Deutsche Filmemacher kritisieren, dass die Förderungsanstalten in erster Linie Komödien unterstützen; andere Genres hätten das Nachsehen. Die Förderer widersprechen.

Deutsche Kinofilme gibt es einige, doch Produzenten kritisieren, dass die meisten davon Komödien seien.

Foto: dpa/Nicolas Armer

Der deutsche Film hat in seiner langen Geschichte einige besondere Werke hervorgebracht. Für die jüngere Vergangenheit aber sieht Filmemacher Kevin Zindler ein großes Problem: Seiner Meinung nach werden zwar reihenweise Produktionen von offizieller Seite gefördert, das meiste davon seien jedoch Komödien oder Art-House-Filme. „90 Prozent aller Genrefilme erhalten keine Förderung“, schätzt er. Damit meint er Werke aus Bereichen wie Action, Horror, Fantasy oder Science-Fiction. Diese Ansicht hat er nun in seinem Buch „Regisseure im Kampf um den deutschen Genrefilm“ niedergeschrieben und dabei eine ganze Reihe an Filmschaffenden gefunden, die seine Ansicht teilen. Die Deutsche Filmförderungsanstalt (FAA) und die Film- und Medien Stiftung NRW wollen diesen Vorwurf so allerdings nicht stehenlassen.

„Die meisten Filme, die unterstützt werden, kennt niemand“, behauptet Zindler. Sie würden „nur für’s Regal“ produziert, wie er es nennt. Und erklärt: „Die meisten davon werden von einem großen Publikum nie gesehen“, so der Produzent, der selbst schon an Genrefilmen gearbeitet hat.

Jens Steinbrenner, Sprecher der FFA, hält dagegen: „Eine Voraussetzung ist, dass der Film wirtschaftlichen Erfolg hat.“ Das könne man im Vorfeld zwar nicht immer definitiv sagen, aber: „Unser Auftrag ist es, das deutsche Kino am Laufen zu halten.“ Dafür gibt es laut dem Sprecher verschiedene Förderarten: Bei der Projektfilm-Förderung beispielsweise würden Anträge eingereicht, die von Jurys beschlossen werden. Bei der Referenzfilm-Förderung erarbeiten sich Filmemacher für Besucherzahlen und künstlerische Anerkennung Punkte für ein virtuelles Konto, wie Steinbrenner erklärt. Dafür gebe es Gelder, die dann zweckgebunden für den nächsten Film genutzt werden müssten. Mit dem Deutschen Filmförderfonds (DFFF) der Bundesregierung sollen internationale Produktionen verstärkt nach Deutschland geholt werden. Für diese Förderung müssten mindestens 25 Prozent des Budgets in der Bundesrepublik ausgegeben werden.

Zindler kritisiert auch, dass viel Geld in Produktionen gehen würde, deren Macher es nicht brauchen. „Ein Til Schweiger kann seine Komödie auch selbst finanzieren. Andere Filmemacher sind wirklich auf Förderung angewiesen“, so Zindler. „Es ist einfach ungerecht.“

Über die Projektfilmförderung der Filmförderungsanstalt entscheidet laut Steinbrenner jeweils eine siebenköpfige Jury, die aus einem Pool von 42 unabhängigen Fachleuten gespeist werde und paritätisch mit Männern und Frauen besetzt sei. Und diese sprächen Genrefilmen sogar „mehr Förderung zu als es erwartbar wäre“, informiert der Sprecher. Denn: „Es werden relativ wenig Konzepte für deutsche Genrefilme eingereicht, weil die einfach nicht so gut laufen.“

Auch Petra Müller, Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW, berichtet mit Blick auf die Frage, wie häufig Genrefilme gefördert werden: „Tatsächlich ist festzustellen, dass im Verhältnis reine Genrefilme seltener eingereicht werden.“ Auch in der Ausbildung und bei den Abschlussfilmen sei Genre eher selten ein Thema.

Als positive Beispiele für erfolgreiche deutsche Filme zählt Steinbrenner auf: „‘Wo Am I?‘ hat 750 000 Besucher in die Kinos gelockt, bei ‚Blutzbrüdaz‘ waren es über 400 000, bei ‚Schutzengel‘ waren es über 700 000 Kinogänger.“ Zum Vergleich: Der erfolgreichste Film, der 2018 in den deutschen Lichtspielhäusern lief, war „Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“ mit knapp 3,9 Millionen Kinobesuchern.

Nun sind die von Steinbrenner genannten Beispiele keine Filme aus den Genres, über die Zindler direkt spricht. Doch auch die internationale Produktion „Cloud Atlas“, der unter der Bezeichung „Independentfilm“ geführt wird, habe Unterstützung der FFA erhalten. „Dort hat die FFA rund eine Million Euro dazugegeben“, berichtet der Sprecher. Sein Produktionsbudget konnte der Film aber auch international nicht einspielen. Die meisten Werke dieser Art seien eben wirtschaftliche Misserfolge.

In diesem Jahr im Bereich Projektfilm sind laut einer Liste der FFA bis November 40 Projekte gefördert worden. Dazu zählen Filme wie „Jim Knopf und die Wilde 13“, „Nightlife“, „Schachnovelle“, „Das perfekte Geheimnis“ und „Catweazle“.

Müller gibt aber auch zu bedenken: „Die großen Genres werden derzeit im Wesentlichen von der internationalen Filmindustrie definiert und es sind dann oft teure und aufwendige Blockbuster-Produktionen. Für deutsche Produzenten ist es schwierig, in Wettbewerb zu treten und die hierfür notwendigen Budgets zu stemmen.“

Dass der deutsche Genrefilm einen schweren Stand hat, sieht auch Kevin Zindler. Er erklärt allerdings: „Wenn ich nur ein geringes Budget für meinen Film habe, sieht man das natürlich an einigen Stellen. Und wenn nur fünf Actionfilme im Jahr herauskommen, vier davon aber billig aussehen, tut das dem Image natürlich nicht gut.“ Wenn beispielsweise 20 Actionfilme aus Deutschland mit Unterstützung auf den Markt kommen würden, fallen seiner Meinung nach einige schlechtere Produktionen weniger ins Gewicht. Zindler räumt aber auch ein: „Das deutsche Publikum ist deutschen Genrefilm nicht mehr gewöhnt.“

Kritik: Deutsche Filme sind unrealistisch

Oft höre er bei entsprechenden Werken etwa die Kritik, der Film sei unrealistisch. „Es würde niemand auf die Idee kommen, das einem James-Bond-Film vorzuwerfen“, so der Produzent. „Auch das ist ein Indiz, dass es zu wenig Filme dieser Art aus Deutschland gibt.“

Einer der Unterstützer von Zindlers Theorie ist der Wermelskirchener Regisseur, Produzent und Drehbuchautor Uwe Boll. Er räumt zwar ein, dass sich bereits viel bei den Filmförderungsgesellschaften verändert habe, „man ist allgemein etwas mehr erfolgsorientiert“, sagt er. Das bedeute aber, dass vor allem Komödien unterstützt werden. „Sobald Gewalt darin vorkommt, wird nichts gefördert“, sagt Boll. Dem stimmt Petra Müller grundsätzlich zu: „Förderer können nur fördern, was den ethischen Grundsätzen der Förderung entspricht, beispielsweise keine Gewaltdarstellung oder -verherrlichung. Damit sind für die Förderung einiger Genre-Spielarten Grenzen gesetzt.“ Für Boll ein Fehler. „So schießt man sich nicht nur international, sondern auch national ins Aus“, stellt er klar.

Zu der Kritik, viele deutsche Genrefilme würden „amateurhaft“ aussehen, erklärt er: „Es fehlt natürlich auch an dem Know-How hinter der Kamera.“ Wer nie gelernt habe, beispielsweise eine Actionszene auf dem Niveau eines US-Blockbusters umzusetzen, könne sich auch nicht entsprechend entwickeln.

Boll betreibt inzwischen eine Gastronomie in Kanada. Dort trifft er nach eigener Aussage häufig auf Deutsche, die zum Beispiel für die Spezialeffekte großer Hollywoodfilme verantwortlich sind. „Wir haben viele Talente in Deutschland, aber die gehen, wenn sie es denn können, in die USA oder nach Kanada, weil sie dort ganz anders verdienen“, berichtet Boll. Das betreffe alle Bereiche der Post-Produktion von Filmen. „Das sind Tausende von Arbeitsplätzen, die auch in Deutschland hätten sein können.“

Filmemacher: Nicht generell gegen Komödien-Förderung

Boll und Zindler wollen dabei die Förderung für Komödien oder auch von Art-House-Filmen nicht in Abrede stellen, „aber vielleicht würde die 150. Komödie mal nicht gedreht, und dafür würde jemand einen Film über einen Serienkiller machen“, beschreibt Boll ein Szenario.

„Auch Komödien müssen etwas einzigartiges haben“, betont Steinbrenner. „Mittelmaß bringt nichts, egal in welchem Bereich.“ Der Sprecher weiß um die Kritik einiger Filmemacher. Aber er betont noch einmal: „Wir sind richtig froh, wenn wir ein gutes Genre-Konzept vorfinden.“ Bezüglich Bolls Kritik an der Post-Produktion verweist Steinbrenner auf den DFFF und den German Motion Picture Fund, bei dem Produktionen ab einer bestimmten Größe automatisch gefördert würden: „Das sind beides Instrumente, die relativ viele internationale Filme nach Deutschland gebracht haben“, sagt er und nennt als Beispiel „Die Tribute von Panem – Mockingjay Teil 2“, „Grand Budapest Hotel“ und „Bridge of Spies: Der Unterhändler“.