Herkules thront auf der Zeche

Gelsenkirchen: Ein 130-Meter-Kran hat die Skulptur von Markus Lüpertz platziert. Es gibt auch eine Ausstellung mit 43 kleinen Versionen.

Duisburg/Gelsenkirchen. Es ist die größte Skulptur, die Bildhauer Markus Lüpertz je entworfen hat — ein 130-Meter-Kran hat den Riesen-Herkules am Mittwoch zum Abschluss der Kulturhauptstadt Ruhr 2010 auf den Turm der Zeche Nordstern in Gelsenkirchen gehoben. Der 69-jährige Künstler liebt die Superlative. Sein Gelsenkirchener Heros ist nach dem Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald und der Bavaria in München mit seinen 18 Metern Höhe und dem 80 Meter hohen Sockel die größte öffentliche Monumentalskulptur in Deutschland. Sie hat ihm viel Ärger bereitet, weil sie zunächst den statischen Anforderungen nicht entsprach.

Trotz dichten Nebels und Schneefalls kamen zahlreiche Schaulustige, um sich anzusehen, wie das rund 23 Tonnen schwere Kunstwerk hochgehoben und auf dem Dach platziert wurde.

Außerdem eröffnete Lüpertz im Duisburger Wilhelm-Lehmbruck-Museum eine Schau von 43 Bozzetti — bestehend aus lauter kleinen Herkules-Exemplaren. Sie sind eher handlich, haben allerdings ein übermenschliches Gewicht. Raimund Stecker, der neue Hausherr im Wilhelm-Lehmbruck-Museum, ließ Spezialtische für die tonnenschweren Bronzen anfertigen. Nun stehen sie auf zwei langen Tischen parat.

Ein Bozzetto im Eingang streckt seinen Arm aus, als wolle er die Besucher begrüßen. Nach antiker Vorstellung wird er wohl eher die Äpfel der Hesperiden haben wollen, die ihm das ewig junge Aussehen bescheren. Zuweilen wird der Arm durch die Keule ersetzt, mit der der göttliche Kerl seine herkulischen Taten vollbracht haben soll. Manchmal schaut nur die bloße Armierung aus dem Körper. Oder es steht die Figur auf einem Bein und „spielt“ mit dem zweiten, gemäß dem klassischen Bildhauer-Prinzip. Es gibt Anlehnungsbedürftige neben einem Baumstamm (statt der Keule) oder Kopflose, die offensichtlich mit der Schulter ihre Wunder vollbringen.

Warum nun das Ganze mit dem antiken Gott der Kraft und des Mutes? Spontan kommt Lüpertz’ Antwort: „Herkules ist eine positive Figur, ein siegreicher Helfer. Das Ruhrgebiet, dieses neue, aufstrebende Gebiet, braucht so eine Figur. Herkules ist für diese Gegend ein Problemlöser.“

All diese Helden sind übrigens farbige „Malerskulpturen“, wie Lüpertz sie nennt. Der Pinsel fegte mit der Farbe über Kratzspuren, holprige Flächen und tiefe Einkerbungen. „Bei mir sind 80 Prozent der Skulptur Oberfläche“, sagt er und meint damit, dass die Oberfläche eine besondere Rolle für ihn spielt. „Ich will nicht die reine, glatte Bronze“, fügt er hinzu.

Er beschreibt den Entstehungsprozess seiner frei erfundenen Modelle: „Ich habe Schellackfarbe aufgetragen, Wachs aufgesprüht und dann stundenlang poliert, damit der warme Glanz entsteht.“ Ein Merkmal fällt auf: die Augen. Sie treten leicht hervor oder haben aufgesetzte Augenringe. Lüpertz erklärt: „Das sind keine Selbstporträts. Das sind alles Figuren mit dem starren Blick der Götter.“

Jeder der 43 Entwürfe ist anders, in Form und in Farbe. Die ersten Ergebnisse entstanden im Vorlauf des Giganten von Gelsenkirchen, die übrigen liefen parallel dazu. Alle Beispiele entstanden in jeweils sechs Exemplaren.