Debatte um Auftrittsverbote für Politiker Politik gehört an die Universitäten, aber hat auch Grenzen
Düsseldorf · Warum Rektorin Anja Steinbeck (HHU Düsseldorf) Hochschulen für besonders streitgeeignet hält und wo es Grenzen gibt.
Drei Anläufe brauchte der AfD-Mitbegründer und Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke, ehe er Ende Oktober endlich seine Vorlesung „Makroökonomik II“ an der Hamburger Universität halten konnte – unter massivem Polizeischutz. Und FDP-Chef Christian Lindner musste Anfang November seinen Vortrag zu Meinungsfreiheit und Debattenklima außerhalb des Hamburger Campus halten, nachdem sich die Universitätsleitung geweigert hatte, Räume für die Veranstaltung der liberalen Hochschulgruppe zur Verfügung zu stellen.
Zwei Beispiele, die Anja Steinbeck, Rektorin der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität (HHU), dazu bewogen haben, das Verhältnis von Wissenschaft und Politik in den Mittelpunkt ihrer Neujahrsansprache zu stellen. Und die Juristin (54) positionierte sich beim Empfang der HHU am Mittwochabend eindeutig: „Politik gehört an die Universitäten.“ Nicht allein, weil es nur durch politischen Diskurs möglich sei, Studenten zu kritischen und wachen Bürgern heranzubilden. Sondern auch, weil der Dialog der einzige Weg sei, damit „die Politiker die Unis nicht ignorieren“, sondern wissenschaftliche Ergebnisse ernst nehmen und sich darauf stützen.
Im Interview mit dieser Zeitung hatte NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) die Aufgabe der Positionierung in diesem Spannungsfeld eindeutig in die Hände der jeweiligen Hochschule gelegt: „Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass eine Hochschule sich durch ihre Satzung klar aufstellt, welche Veranstaltungen bei ihr stattfinden dürfen und welche nicht.“ Und Steinbeck nimmt diese Freiheit in Anspruch, um auch in Bezug auf das aus der Rechtsprechung entwickelte Gebot der politischen Neutralität der Hochschulen klarzustellen, dass es dabei nur um Chancengleichheit gehe: „Die Universität darf keine politische Partei einseitig benachteiligen oder bevorzugen. Das Gebot der politischen Neutralität bedeutet nicht, dass Hochschulen politikfrei sein müssen.“
Grenze zwischen Wissenschaft und Parteipolitik kaum zu ziehen
Eine Trennlinie zwischen einer Lehrveranstaltung und purer Parteipolitik sei als Maßstab schwierig und praktisch nicht handhabbar. Diese Grenze zwischen wissenschaftlicher Veranstaltung unter Einbindung fachlich versierter Politiker und einem rein politischen Engagement sei fließend und im Voraus nicht auszumachen.
Die Düsseldorfer Rektorin benennt drei andere Grenzen: Hochschule dürfe nicht für Wahlkämpfe und Meinungskampagnen missbraucht werden. Daher „bin ich dafür, dass vier bis acht Wochen vor einer Wahl politische Veranstaltungen nicht mehr erlaubt sind“. Zweitens sei die Grenze des Zulässigen erreicht, wenn von der Veranstaltung Gefahren für die Sicherheit der Teilnehmer oder unbeteiligter Dritte ausgingen. Und drittens müsse geklärt werden, wie eine Hochschule sich verhalten soll, wenn ernsthaft zu befürchten sei, dass im Rahmen der Veranstaltung verfassungsfeindliche Thesen vertreten würden.
Eindringlich warnte Steinbeck dabei vor einer Verweigerungshaltung: „Rektorate sind keine Zensurbehörden. Wenn nicht an einer Universität, wo ist dann der geeignete Ort, um fatale Ideologien zu analysieren, zu entlarven und argumentativ zu bekämpfen?“ Der zulässige Korridor des Sagbaren ergebe sich nicht aus irgendwelchen „selbstherrlich gezogenen Grundwerten und Leitbildern, sondern aus Recht und Gesetz: Zu nennen ist hier etwa das Strafgesetzbuch, das Beleidigung und Volksverhetzung unter Strafe stellt.’’ Universitäten, so die Rektorin, seien für den Austausch kontroverser Meinungen prädestiniert. „Das gilt auch und insbesondere in Zeiten zunehmender Polarisierung.“