Interview Patrick Salmen: „Ich bin ein leidenschaftlicher Waldschrat und im Herzen längst Aussteiger“

Düsseldorf · Der Poetry-Slam-Meister Patrick Salmen kommt am Mittwoch ins Zakk. Ein Gespräch, das zeigt, dass er ein Freund der Ironie ist – und des Waldes.

 Patrick Salmen würde lieber mit Influencern zusammenarbeiten, als bei Markus Lanz aufzutreten. Das Problem: Seine Restwürde.

Patrick Salmen würde lieber mit Influencern zusammenarbeiten, als bei Markus Lanz aufzutreten. Das Problem: Seine Restwürde.

Foto: Fabian Stürtz

Bekannt wurde Patrick Salmen als deutscher Poetry-Slam-Meister. Nun nimmt er als sogenannter Lese-Kabarettist die Zeitgeist-Trends ins Visier. Am Mittwoch tritt er mit seinem neuen Buch „Ekstase“ im Zakk auf. Die WZ sprach mit Salmen über Hygge, Influencer, Life Coaches und seine Abkehr vom Poetry-Slam.

Herr Salmen, Ihr neues Buch „Ekstase“ trägt den Untertitel „Ist doch auch mal ganz schön“. Klingt so, als hätten Sie ein nüchternes Verhältnis zur Ekstase...

Patrick Salmen: Ganz im Gegenteil. Ich bin ein kleiner Sonnenschein. Bei der Begegnung mit lieben Menschen oder dem Verzehr von knusprigen Bratkartoffeln empfinde ich nichts als pure Glückseligkeit.

Im Pressetext heißt es, Sie waren sich für „Selbstversuche nicht zu schade, um der Tragikomik unseres Alltags auf den bitterbösen Grund zu gehen“. Was haben Sie am eigenen Körper erprobt?

Salmen: Über die Pressetexte von Humorbüchern könnte ich jetzt sehr viel erzählen. Sie sind zu 90 Prozent gelogen und bedienen sich der stets gleichen Floskeln wie „bitterböse“, „tragikomischer Alltag“, „messerscharfe Beobachtung“ oder „nicht ohne ein gewisses Maß an Selbstironie“. Sie dienen einzig der Generierung von Aufmerksamkeit und sind vollkommen austauschbar.

Sie nehmen in Ihren Kurzgeschichten immer wieder Zeitgeist-Trends auf die Schippe, in Ihrem aktuellen Werk etwa Hygge, das Glücklichsein auf Dänisch. Im World Happiness Report ist Dänemark auf Rang 2, Deutschland auf Rang 17 abgerutscht. Ist Hygge nichts für die Deutschen?

Salmen: Statt sich mit Hygge-Zeitschriften einzudecken, die uns Binsenweisheiten wie „man bekommt mehr Sauerstoff, wenn man vor die Tür geht“ als neue Religion verkaufen, sollte sich der klassische Deutsche vielleicht wieder auf seine heiligen Schriften besinnen: Stiftung Warentest und ADAC-Motorwelt. Das ist doch unsere Kernkompetenz: vergleichen und bewerten! Zu ihrer Frage: Es gibt halt Menschen, die sind gerne glücklich und es gibt Menschen, die lesen gerne Zeitschriften über Menschen, die gerne glücklich sind. Platz 17 finde ich übrigens noch erstaunlich gut.

Auch mit dem „Digital Detox“ setzen Sie sich auseinander. Auf Instagram haben Sie einmal gepostet, dass Sie im Wald gewesen seien, Sie hätten das Handy ausgemacht, geatmet, mit Eichhörnchen im Herbstlaub getollt, Bäume umarmt, dem Wind in den Wipfeln gelauscht und endlich zu sich selbst gefunden. Aber dann seien Sie doch ins Internet zurückgekehrt. Warum?

Salmen: Sie dürfen meinen Instagram-Account grundsätzlich nicht ernst nehmen. Das Internet hat mich abstumpfen lassen. Sämtliche Coelho-esken Erkenntnismomente werden von mir durch Zwangsironie zerstört. Ich bin ein leidenschaftlicher Waldschrat und im Herzen längst Aussteiger. Es scheitert schlichtweg an meiner Faulheit.

Auf Instagram folgen ihnen fast 13,5 Tausend Menschen. Der Post zu Ihrem neuen Buch erhielt bisher aber nur 1919 Likes. Ihren Facebook-Account haben 56 310 Menschen abonniert, Ihr Buch-Post erhielt bisher aber nur 1061 Likes. Enttäuscht Sie das?

Salmen: Ja, ich habe meine fernöstlichen Instagram-Bots und den Algorithmus bereits entsprechend gerüffelt und erhoffe mir in Zukunft ein solides 1:1-Verhältnis. Vielleicht ist das Buch aber auch einfach sehr schlecht. Dann wiederum freu’ ich mich über die aufrichtige Verweigerungshaltung und den guten Geschmack meiner treuen Leserschaft.

Haben Sie schon mal überlegt, mit Influencern zusammenzuarbeiten?

Salmen: Es wäre mir allemal lieber als ein Gastauftritt bei Markus Lanz. Eine schöne Vorstellung eigentlich. Ich glaube, ich würde mein Buch gerne total unverkrampft und superauthentisch von Caro Daur oder Cathy Hummels präsentieren lassen. In Kombination mit hübschen Sukkulenten, Sichtbetonhintergrund und einem tiefsinnigen Zitat würden die Verkaufszahlen wahrscheinlich schlagartig noch oben schießen. Es scheitert einzig an meiner Restwürde. Bedauerlich.

Sie versprechen in „Ekstase“, auch mit „wertvollen Life Coachings“ weiterzuhelfen. Wie genau helfen Sie Ihren „Klienten“, ihr Potential zu entfalten?

Salmen: Am meisten helfe ich Menschen, indem ich sie während des Lesens für einen kurzen Moment davor bewahre die grausamen Bücher von echten Life-Coaches oder irgendwelchen dubiosen Motivationstrainern zu lesen.

Bevor Sie Slam-Poet und Schriftsteller wurden, standen Sie kurz vor Ihrem Referendariat und waren schon dabei, Deutsch- und Geschichtslehrer zu werden. Dieter Nuhr wäre es auch fast geworden und Johannes Schröder lehrte sogar Deutsch. Gibt es zwischen Comedy und Lehramt einen Zusammenhang?

Salmen: Die Lehrer, die mich in meiner Schullaufbahn am meisten geprägt haben, waren meist die, die ihre pädagogische Arbeit mit einem gewissen Humor vereint haben und trotz ihrer autoritären Rolle ein bisschen über sich selbst lachen konnten. Wobei ich Ihre beiden Beispiele da eher als Antithese für guten Humor interpretiere. Meine geschätzten Kollegen Quichotte, Julian Heun und Nektarios Vlachopoulos würden mir da eher in den Sinn kommen. In meiner Branche gibt es schon sehr viele Germanisten. Uns vereint die Liebe zur Sprache und die berufliche Alternativlosigkeit.

Sie sind als Slam-Poet bekannt geworden, machen aber kein Poetry-Slam mehr. Mögen Sie das Genre nicht mehr?

Salmen: Ja, tatsächlich. Ich habe dem Format zwar sehr viel zu verdanken und dort wahnsinnig viele interessante Menschen kennengelernt, mit denen ich bis heute befreundet bin. Aber das Wettbewerbs-Format war nach einigen Jahren überhaupt nichts mehr für mich. Auch dieser Sing-Sang-Rhythmus beim Vortrag und die teils moralische Überheblichkeit aus privilegiertem Milieu wurden mir ein wenig zu viel. Mittlerweile hat sich aber bestimmt wieder vieles verändert. Die nächsten deutschsprachigen Meisterschaften finden in Düsseldorf statt und die werde ich mir definitiv anschauen. Ich schätze die Szene sehr. Sie ist trotz aller kritischen Stimmen noch immer wahnsinnig innovativ und sehr reflektiert. Außerdem bringt sie konstant tolle Künstler hervor und schafft es, junge Leute fürs Schreiben zu begeistern.

Nun treten Sie als Lese-Kabarettist auf. Was lieben Sie an dieser Art der öffentlichen Performance?

Salmen: Ehrlich gesagt, weiß ich bis heute nicht, wie man das Ganze nennen soll. Lesung? Comedy? Slam-Poetry? Kabarett? Letztlich sind die Grenzen vollkommen fließend und willkürlich.

Sie lesen am 22. Januar in Düsseldorf im Zakk. Wie gefällt Ihnen die Stadt im Vergleich zu Wuppertal, wo Sie herkommen, oder Dortmund, wo Sie leben?

Salmen: Keine Ahnung. Habe zu Städten ehrlicherweise kein sonderlich emotionales Verhältnis. Häuser, Straßen, Menschen, Bäume – am Ende alles keine große Überraschung. Aus mir wird in diesem Leben kein großer Lokalpatriot mehr. Was ich sagen kann: Das Zakk ist für mich ein besonderer Ort, zumal ich dort 2008 meinen allerersten Bühnenauftritt hatte. Für die Premiere von Ekstase kam deswegen keine andere Location in Frage.

Patrick Salmen: Ekstase, um 20 Uhr Zakk, Fichtenstr. 40.