Ausstellung von US-Konzeptkunst Utopie vom Ausstieg aus der Kunst
Düsseldorf · K21 zeigt mit „I’m not a nice girl!“ vier Konzeptkünstlerinnen der ersten Generation.
Immer wieder proben Künstler die Endzeit der Kunst. Das beste Beispiel ist Marcel Duchamp. Er begann 1913 trotz seines Erfolges auf der New Yorker Armory Show zu schweigen und spielte Schach. Joseph Beuys erklärte zwar, das Schweigen von Duchamp werde überbewertet, aber kurz vor seinem Tod verkündete auch er den Austritt aus der Kunst. Besonders in den 1960er Jahren probten amerikanische Konzeptkünstlerinnen die Verweigerung gegenüber Museen und Kunstmarkt. Dem Thema widmet K21 eine Ausstellung unter dem Titel: „I’m not a nice girl“, „Ich bin kein nettes Mädchen“.
Vier Frauen blieben beim Galeristen Fischer erfolglos
Die Schau im ehemaligen Ständehaus ist eher eine Lese- als eine Kunstausstellung. Sie dokumentiert die alternative Szene von vier Frauen in New York, die mit dem Galeristen Konrad Fischer korrespondierten, aber keinen Erfolg bei ihm verbuchten. Er stellte sie nicht aus. Die Gründe können sich die Nachgeborenen natürlich selbst vorstellen, denn was sollen Kunstdissidenten in einer Galerie? Warum also überhaupt eine Schau zu diesem Thema stattfinden? Kuratorin Isabelle Malz antwortet mit dem Archiv von Konrad und Dorothee Fischer im Besitz der Kunstsammlung. Sie wolle die grauen Pappkartons nicht einfach Pappkartons sein lassen, sondern aus ihren Inhalten Erkenntnisse ziehen.
Für die Situations-Beschreibung der frühen 1960er Jahre in New York gibt die Ausstellung eine Fülle von Informationen. Die Kuratorin stieß auf Frauen, die richtungweisend für die US-Konzeptkunst der 1960er Jahre waren. Es sind Lee Lozano, Mierle Laderman Ukeles, Eleanor Antin und Adrian Piper, wobei Lozano (1930-1999) die Radikalste ist. Sie verstand ihren Abgang aus der Kunstproduktion schlicht als „Drop Out Piece“, wörtlich etwa Ausstiegs-Stück oder Nichtwerk.
Eine Verweigerungshaltung bis in den eigenen Tod
Der Titel der Ausstellung in der Bel Etage stammt von ihr und ist typisch feministisch. Der später berühmte Kurator Kasper König weilte 1965 in New York und meinte zu ihr: „Du bist eine gute Malerin und ein nettes Girl.“ Prompt erhielt er die Antwort: „Ich bin eine sehr gute Malerin und kein nettes Mädchen.“ Lozano lebte in Avantgarde-Kreisen um Carl Andre und war gerade von ihrem Mann getrennt. Ob nettes Mädchen oder nicht, 1969 hatte sie eine Ausstellungs-Idee mit ihrem Tisch, auf dem sich laut Foto ein chaotisches Privatarchiv aus Kunst, Papierkram und Staub befand. Kasper König empfahl ihr den Düsseldorfer Galeristen Konrad Fischer. Sie schrieb ihm im Jahr 1971, aber er reagierte nicht.
Zeitgleich schuf sie „Sprachstücke“, in denen sie in kindlicher Druckschrift tagebuchartig und minutiös ihr Leben, ihren Sex, ihren Orgasmus schilderte. Nebenbei boykottiert sie die New Yorker Kunstszene. Diese totale Verweigerungsgeste gipfelte 1972 in ihrem Abschied aus NY. Sie verschwand buchstäblich von der Bildfläche als Künstlerin und als Person. Über ihre anschließende Zeit ist wenig bekannt. In den 1980er Jahren lebte sie in Dallas, wo sie 1999 starb.
Folgt man der Einschätzung der amerikanischen Kunsttheoretikerin Lucy Lippard, so war sie die weibliche Hauptfigur der New Yorker Kunstszene in den 1960er Jahren. Wäre dies so, so wäre ihr Bruch noch prägnanter. Ganz nachvollziehen lässt sich das in der Ausstellung nicht.
Eine Performance als Rezept für einen schlankeren Körper
Texte, Briefe, Fotos, Konzepte und Dokumente liegen in Vitrinen oder hängen nun an den Wänden. Dazu gehören auch Arbeiten von Eleanor Antin, Jg. 1935. Auch sie schrieb 1972 an Konrad Fischer, stellte ein Konzept vor, aber erhielt erst 1979 die Antwort, sie solle ihm Material schicken. Eine Ausstellung gab es nicht.
Nun sehen wir in K21, wie sie sich im Video schminkt, ihren Körper als Leinwand benutzt und auf das Schönheitsideal von Männern pfeift. Ihre Zeichnungen, die aus Dialogen mit der Mutter hervorgehen, wirken wie das Aufzeichnen eines Pulsschlags. Auch eine Foto-Serie des eigenen Ich stammt von ihr. Die Aufnahmen lassen schmunzeln, denn Antin nimmt ihren anfangs dicklichen Körper als skulpturales Objekt einer Performance, unterzieht sich 37 Tage lang einer Diät und wird im Verlauf der Fotofolge tatsächlich schlanker und ansehnlicher. Die Performance bestand aus dem Abnehmen und dem Fotografieren des Körpers.
Die Verbindung von Kunst und Leben bei den Müllmännern
Mierle Laderman Ukeles, Jg. 1939, sucht im Sinne von Beuys nach der Liaison von Kunst und Arbeit. Ihr Interesse gilt den Müllmännern. Seit ihrem Manifest von 1969, also seit einem halben Jahrhundert, geht sie der unproduktiven Routine-Arbeit von Menschen nach, die dennoch für den Lebenserhalt einer Stadt sorgen.
Seit 1977 ist sie Artist in Residence in der Stadtreinigung von Manhatten, hat dort ihr Büro und hatte 1979/80 eine Performance inmitten der Müllberge, indem sie elf Monate lang jedem der 8500 Straßenreiniger und Müllmänner die Hand schüttelte, als Dank für den Erhalt des städtischen Lebens. Mit ihrem langen, rotbraunen Haar, ihrem grünen Outfit und ihrem strahlenden Lächeln in den Fotos bietet sie nun einen der wenigen optischen Lichtblicke in der Schau.
Die Afroamerikanerin Adrian Piper hat Philosophie in Harvard studiert und hatte eine Professur inne. Sie hat dem Kunstbetrieb nicht ganz entsagt. Ihre Reflexionen über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit haben eine leicht humoristische Note, wenn sie sich ein Badetuch in den Mund stopft, um bei der Busfahrt zu untersuchen, wie ihr Umfeld darauf reagierte. Das kleinste Kunststück sind Visitenkarten, guerillamäßig bedruckt, die jedermann mitnehmen kann.
K21, Ständehaus an der Elisabethstraße, bis 17. Mai, Dienstag bis Freitag 10-18 Uhr, Sa/So ab 11 Uhr