Neues Album „Abbruch Abbruch“ Antilopen Gang rappt gegen „neoliberale Selbstoptimierung“
Berlin · Mit „Anarchie und Alltag“ landete die Antilopen Gang auf Platz 1 der Charts. Mit „Beate Zschäpe hört U2“ trat sie Kontroversen los. Dass sie anders sind als viele andere Rapper zeigen sie jetzt mit dem neuen Album „Abbruch Abbruch“.
Versagen beim ersten Mal oder die Rentenlücke: Die Textinhalte auf dem neuen Album der Antilopen Gang festigen den Stand der Gruppe als Anti-Rap-Klischee. Mehr an Politik als an Pose interessiert, scheuen Panik Panzer, Koljah und Danger Dan nicht davor zurück, sich Blößen zu geben. Sie rappen auch über Misserfolge und Rückschläge. Wie immer ist eine große Portion Ironie und Humor dabei. Die ist auch nötig, um den Ernst vieler Themen auf dem Album „Abbruch Abbruch“ zu verdauen.
Es geht nicht nur um gesellschaftliche Schieflagen, sondern auch um persönliche Erfahrung: Ursprünglich waren die Antilopen zu viert. Bis sich vor sieben Jahren Mitglied NMZS das Leben nahm. „2013 war ein Riesenwendepunkt für uns als Band, aber auch für jeden einzelnen. Jakob ist gestorben und vieles andere hatte sich verändert“, sagt Danger Dan im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Wir brauchten eine gewisse zeitliche Distanz, um das Chaos zu begreifen und zu beschreiben.“ Nun sei das Erlebte und Gefühlte von damals auch in Songs eingeflossen.
Ihr drittes Album sei kompromisslos, sagt Dan. Was wohl auch am Erfolg von „Anarchie und Alltag“ lag, mit dem die Gruppe es 2017 auf die Eins der deutschen Albumcharts schaffte. Ohne Minuszahl im Nacken sei es entspannter zu arbeiten. „Erstmals haben wir uns ein kleines Studio eingerichtet, um „Abbruch Abbruch“ aufzunehmen, vorher hatten wir immer ein WG-Zimmer mit Mikro in der Ecke“, erklärt Dan.
Auf dicke Hose zu machen, wie es viele andere Rapper tun, ist nicht die Sache der Antilopen. Das zeigt sich auch beim Thema Frauen und Sexualität, wenn sie über Ängste und Selbstzweifel rappen, etwa beim ersten Sex („Bang Bang“).
„Es ist tatsächlich unangenehm, über sein eigenes erstes Mal zu reden, weil es nun mal sehr bestimmte Vorstellungen von Männlichkeit gibt“, sagt Dan. „Aber es wäre noch viel unangenehmer, das zu machen, was der herkömmliche Rapper tut, und Sex als leistungsorientierten, frauenfeindlichen Scheiß zu beschreiben.“ Hip Hop habe eine große Bandbreite, aber der kommerziell erfolgreiche Mainstream sei selten progressiv. „Da geht es um neoliberale Selbstoptimierung“, so Dan. Und Frauen kämen bis auf Aufnahmen wie etwa der Berliner Rapperin Sookee kaum vor.
Auch bei der Albumveröffentlichung gehen die Antilopen andere Wege: Statt einfach nur eine herkömmliche Release-Party zu feiern, soll es auch ein wissenschaftliches Symposium zu „theoretischen Annäherungen“ ans neue Album geben - schon in der Vergangenheit hat sich die Gruppe selbstironisch als frech-freundliche studentische Rapband bezeichnet.
Auch dass sie politisch eher links einzuordnen sind, ist kein Geheimnis. „Wir haben nie die Illusion gehabt, dass wir mit der Antilopen Gang tatsächlich die Weltrevolution herbeiführen können“, sagt Dan. „Man sagt ja, dass es eine Utopie sei, zu glauben, dass Dinge besser werden, oder dass man das Schlimmste allein durch Kritik an den Zuständen verhindern könnte. Aber auch wenn wir keine Lösung haben, fühle ich mich in der Position als Kritiker ganz zufrieden.“