Konzert Die Kelly Family im Düsseldorfer Dome: Wie ein Familientreffen
Düsseldorf · Trotz ein paar stimmlicher Probleme gab es viele emotionale Momente. Auf der Bühne wurden Fotos von verstorbenen Angehörigen der Fans gezeigt.
Als 1994 das Album „Over The Hump” erschien, bescherte es der Kelly Family mit 3,5 Millionen verkauften Exemplaren nicht nur den großen Durchbruch, es markierte den entscheidenden Wendepunkt in ihrer Karriere. Von nun an waren die Geschwister nicht nur eine umherziehende Straßenmusiker-Familie. Jetzt waren sie Popstars mit allem, was dazu gehört: Hohe Chartplatzierungen mit Hits wie „An Angel“ und „First Time“, kreischende Fans, ausverkaufte Konzerte und finanzielle Sicherheit. Am Freitagabend schauten die Kellys im Dome zurück auf diese Zeit.
Ihre Markenzeichen, die Wallemähne und der Gypsy-Style, sind zumindest bei John und Jimmy Kelly, pflegeleichten Kurzhaarfrisuren und Jeans bzw. Karohose gewichen. Angelo bändigt seine langen Haare in einem braven Zopf und trägt inzwischen Brille. Nur der toughe Joey, der sonst in der Öffentlichkeit ebenfalls mit Zopf zu sehen ist, gibt an diesem besonderen Abend den wilden Headbanger in Rocker-Pose beim Opener „Why Why Why“. Die Kellys haben ihr Programm für die aktuelle Jubiläums Tour „25 Years Over The Hump“ zweigeteilt.
Rund eine Stunde lang spielen sie das komplette Erfolgsalbum Track für Track von damals, allerdings neu arrangiert. Bis heute zählt „Over The Hump“ zu den zehn bestverkauften Platten in Deutschland.
Allerdings, so manche Ballade, die von den Jungs vor mehr als zwei Jahrzehnten mit hohen Stimmen gesungen wurde, passt nicht mehr so ganz zu den Herren in ihren Mittvierzigern. So übernimmt Schwester Patricia beim Hit „An Angel“ den hohen Gesangspart, Angelo, John und Jimmy teilen sich die restlichen Passagen.
Viele Fans von früher sind erwachsen, haben eigene Kinder
Die Fans sind mit den Kellys älter geworden, haben teilweise inzwischen selbst Kinder, die mit zum Konzert kommen. Überhaupt wird deutlich: Die Kelly Family sind ein Familien-Phänomen auf und vor der Bühne. Im Zuschauerraum sitzen nicht selten drei Generationen und erleben mit den Geschwistern, emotionsgeladene Augenblicke. Beispielsweise wenn Jimmy Kelly ein Erinnerungslied an all jene anstimmt, „die nicht mehr unter uns sind“. Die Kellys hatten vor dem Tourauftakt über ihre Facebook-Seite einen Aufruf gestartet, die Fans mögen doch Fotos von Menschen schicken, die sie verloren haben. Hunderte seien bei ihnen eingegangen, lässt Jimmy das Publikum wissen. Vierzig davon hätten sie ausgewählt, die exemplarisch für alle anderen stehen sollten. Diese Aufnahmen werden über große Leinwände eingeblendet, während die Halle in ein Lichtermeer aus Handy-Taschenlampen getaucht ist.
Keine Frage, die Kellys verstehen es immer noch, ihr Publikum zu begeistern und mitzureißen. Zwar gibt es (zum Glück) keinen Kreischalarm und es fällt auch niemand mehr in Ohnmacht. Doch die Fans feiern ihre Kellys wie alte Freunde, singen textsicher jede Zeile sowohl des legendären Albums als auch der vielen anderen Songs aus der inzwischen über vier Jahrzehnte andauernden Bandgeschichte mit, die den zweiten Teil des Abends bilden.
Die Kellys haben in ihrer Karriere viele Höhen und Tiefen erlebt. Haben sich zwischenzeitlich zerstritten, so wie es in vielen Familien vorkommt und 2017 zunächst nur für ein Konzert wieder zusammengerauft, dem bald darauf ausverkaufte Comeback-Tourneen folgten.
Alle Mitglieder haben sich freigestrampelt und eigene mehr oder weniger erfolgreiche Musikkarrieren begonnen. Doch allein Angelo führt die Familientradition des umherreisenden Clans mit seinen Kindern fort. Erst eine Woche zuvor trat er mit ihnen in der Halle an der Siegburger Straße mit einem irischen Weihnachtsprogramm auf. Kathy Kelly hat ihre musikalische Heimat eher in der Klassik gefunden. Am Freitagabend hat sie Stimmprobleme und lässt Schwester Patricia einen Großteil ihrer Parts singen. Bruder Paul ist dem verstorbenen Vater Dan mit seinem Rauschebart wie aus dem Gesicht geschnitten. Während Joey seinem Image als harter Kerl, der sich immer wieder sportlichen Herausforderungen stellt, treu bleibt. Seine Stücke erinnern mehr an ein Hardrock-Konzert als an gefällige Pop-Songs, wie man sie sonst von den Kellys kennt.
Vielseitig waren sie schon immer. Nun, mehr als zwei Jahrzehnte nach ihrem großen Durchbruch, sind sie musikalisch gereift, haben jeder für sich eine eigene Stimme gefunden und können gerade deshalb als Familie mehr den je durch diese Vielseitigkeit überzeugen. Nur Schwester Maite und Bruder Paddy fehlen bei dieser großen Party. Maite ist inzwischen erfolgreiche Schlagersängerin und Paddy ist ebenfalls als Musiker unterwegs, diesmal allerdings allein. Er hatte zuletzt diverse Hits im Radio und Auftritte in Fernseh-Shows, etwa in der Jury von „The Voice of Germany“. Für die Geschwister Entscheidungen, die sie akzeptieren (müssen). Schließlich standen ohnehin nie immer alle Kellys gleichzeitig auf der Bühne. 42 Shows hat die Jubiläums-Tour, danach werden die Kellys sich wieder ihren eigenen Projekten zuwenden.