Ostertipp Hörspiel-Klassiker: „Der Sängerkrieg der Heidehasen“ in Obereidorf

Usselig kalt? Eier, die im Nieselregen abfärben? Herrlich! Traumwetter, um sich an einem 65 Jahre alten Hörspiel-Klassiker zu wärmen.

München. Der ganze Spaß dauert im Original nur 33 Minuten. Es gibt ihn als Schallplatte, als CD und als Download, in einer Verfilmung der Augsburger Puppenkiste, als Bühnen-Adaption etlicher Theater und Orchester, als Buch, mal mit Noten, mal zum Ausmalen, nicht im iTunes-Store, aber für schlechte Menschen als illegale Kopie bei Youtube. Wie kein zweites Hörspiel hat James Krüss „Der Sängerkrieg der Heidehasen“ ein ganzes Genre über Jahrzehnte hinweg geprägt und Generationen überdauert.

Schrieb nicht nur die Heidehasen, sondern u.a. auch den Roman Timm Thaler: Autor James Krüss (1926-1997). Foto: dpa

Foto: Erwin Elsner

Die Geschichte: Wie jedes Jahr findet in Obereidorf der Sängerkrieg der Heidehasen statt. Doch in diesem Jahr, so lässt es Lamprecht VII., König der Hasen und Karnickel, verkünden, winkt dem Sieger ein ganz besonderer Preis. Wer das schönste selbst komponierte Loblied auf die Prinzessin des Hasenheide-Reiches zum Vortrag bringt, bekommt selbige zur Frau. Soweit, so politisch unkorrekt nach heutigen Maßstäben.

Im Hörspiel ist der Skandal jedoch ein anderer: Der intrigante Minister für Hasengesang will dem alten und unansehnlichen Musikdirektor Wackelohr (Prinzessin: „Der Dickwanst!“) für ein Bestechungsgeld von 100.000 Hasentalern den Sieg zuschanzen. Zwischen ihnen und dem gelingenden Betrug steht nur der junge Hase Lodengrün. Das eigentlich Erstaunliche an dieser Kolportage für Kinder ist die schier unglaubliche Qualität von Stück und Musik auf der einen und Produktion auf der anderen Seite, mit der der Bayerische Rundfunk 1952 zu Werke ging.

Eingeleitet wird von Geschichte von einem Leierkasten-Paar, das eine Moritat singt. Die männliche Stimme gehört Klaus Havenstein (1922-1998), der es schafft, seine charakteristische Stimme müder und einlullender leiern zu lassen als das Instrument. Als James Krüss das Hörspiel in München aufnahm, hatte der spätere Autor von „Timm Thaler“ noch kein einziges Buch geschrieben.

Bildungsbürger erkannten in dem Hörspiel parodistische Anleihen bei Richard Wagner, so schon allein im Namen des „Sängerkriegs“, von dem man sich an den Tannhäuser mit dem Sängerwettstreit auf der Wartburg erinnert fühlen konnte, oder in dem an Lohengrin erinnernden Namen des jugendlichen Hasen Lodengrün. Diesen Anleihen stehen jedoch keine musikalischen Entsprechungen gegenüber. Der Aufwand, den Rolf Wilhelm (1927—2013) für die kurzen Kompositionen des 33-minütigen Hörspiels trieb, wäre heute nicht mehr denkbar. So lässt er Lodengrün den Beginn einer erfundenen Arie aus der erfundenen Oper „Der Hasenfrühling“ des ebenso erfundenen Komponisten „Hoppelberger“ mit den Zeilen singen: „Nun ist der Schnee zerflossen, nun gibt es bald Salat/ Die ersten Zweige sprossen, der Hasenfrühling naht!“

Wilhelm schrieb später rund 60 Filmmusiken von „Und ewig singen die Wälder“ (1959) über „Das fliegende Klassenzimmer“ (1973) bis zu Loriots „Pappa ante Portas“ (1991), und produzierte auf Knopfdruck jeden denkbaren Stil. So singt Musikdirektor Wackelohr sein pathetisches „Schönste Häsin auf der Heide“ im Stil einer Ballade von Johann Carl Gottfried Loewe (1796—1869). Hier können Klassik-bewanderte Großeltern beim Osterkaffee vielleicht mit Erklärungen aushelfen: Wenn es klingt wie Hermann Prey oder Dietrich Fischer-Dieskau in „Die Uhr“, ist es fast immer Loewe. Den Hasen Otto Lampe lässt Wilhelm dagegen die Prinzessin („Manchmal klimpern ihre Wimpern“) im heftigen Schnulzen-Ton antreten, wogegen Lodengrün — der ja als klassischer jugendlicher Liebhaber gestealtet ist — sogar im Geschmack der Zeit jodeln darf.

Für all das standen Krüss und Wilhelm eine Riege später teils berühmter Schauspieler zur Verfügung. So spricht den arrogant-überheblichen Gesangsminister ohne Namen im Original-Hörspiel Charles Regnier (1914—2001) so spöttisch-distanziert, wie man ihn aus vielen seiner späteren Rollen in Erinnerung hat. Ohne das Ende zu verraten: Wie er mit Wackelohr verabredet, die Sonnenuhr vor Lodengrüns Bau zu verstellen, damit dieser zu spät zum Sängerkrieg auf der Festwiese erscheint, sollte als Erklärung für „Intrige“ ins Lexikon aufgenommen werden.

Die ebenso namenlose Prinzessin spricht Ina Peters mit der gleichen sonnenhellen Stimme, mit der sie später als Zofe neben Liselotte Pulver im „Wirtshaus im Spessart“ glänzte. Einzig bei der Besetzung des Lodengrün staunt man, wie aus dem lebensfrohen Stimmwunder Franz Muxeneder (1920—1988) später ein Hauptdarsteller peinlichen Schmuddelfilm-Schrotts (beliebte Titel: 00Sex am Wolfgangsee, Dr. Fummel und seine Gespielinnen oder Unterm Dirndl wird gejodelt) werden konnte. Aber davon weiß die Sängerkrieg-Aufnahme noch nichts, die natürlich happy endet: Nachdem Lodengrün die Prinzessin beruhigt hat, in seiner Familie habe es noch nie dicke Hoppler gegeben, ruft die langohrige Schöne begeistert aus: „Herrlich, Lodengrün! Komm, Papa wartet auf uns!“

Ach wie ist es doch erfreulich, wenn einmal das Gute siegt, heißt es in der Schluss-Moritat. Kann man immer wieder hören. Ostern und bei jedem anderen Wetter.