Papiermuseum Alte Dombach Kleine Kulturgeschichte eines stillen Ortes
Bergisch Gladbach · In einem Museum in Bergisch Gladbach hat man sich mit der Entwicklung der Toilette und des dort benutzten Papiers befasst – von der Zeitung bis zum mehrlagigen Tissue.
Es ist eine freundliche Einladung mit dennoch irritierender Wirkung: „Bitte nehmen Sie Platz!“, lautet die Aufforderung zu Beginn der Ausstellung „Von der Rolle“ im Papiermuseum Alte Dombach in Bergisch Gladbach. Doch als Sitzgelegenheit warten fünf Designer-WCs – noch gänzlich unbenutzt und auch nicht angeschlossen, das sei zur Beruhigung erwähnt. Hat man sich überwunden, kann man von dort aus in einem ersten Überblick studieren, dass selbst das Natürlichste der Welt – der finale Moment des menschlichen Verdauungsprozesses – kulturgeschichtlich sehr unterschiedliche Ausprägungen erfahren hat.
Zum Beispiel, dass man in Indien im Anschluss nicht wischt, sondern wäscht, was das Papier schlicht überflüssig macht. Oder dass in Panama ein Plumpsklo auch schon mal direkt über dem Meer gebaut wird. Oder dass sowohl Hocken als auch Sitzen zum Ziel führen können. Oder, um mit einem ehemaligen Bundeskanzler zu sprechen . . . aber lassen wir das.
Ausstellungsraum: grell, gekachelt, vollgekritzelt
So eingestimmt, betritt man den zweiten Ausstellungsraum in der Anmutung einer öffentlichen Toilette: grell, gekachelt, vollgekritzelt. Wobei sich das Gekrakel an den Wänden bei näherem Hinsehen als eine Collage wissenswerter Entwicklungsschritte in der Geschichte jenes Ortes entpuppt, der ausweislich einer abgebildeten Grafik von mehr als der Hälfte aller Deutschen nicht nur für seinen eigentlichen Zweck genutzt wird, sondern auch für das Checken von Kurznachrichten auf dem Handy, das Spielen, das Rauchen oder das Lesen von Produktbeschreibungen auf Shampoo-Flaschen.
Der Siegeszug der öffentlichen wassergespülten Toilette begann ohnehin erst mit der Weltausstellung 1851 in London. Ende des 19. Jahrhunderts sorgten die großen Städte schrittweise für den Aufbau eigener Kanalisationen. Aber die Zeit der Plumpsklos und Senkgruben reichte noch bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein.
Es war einmal ... der Nachttopf
In Zeiten des muckelig warmen, abgeschlossenen und meist schlafzimmernahen WCs ist ein altes Kulturgut inzwischen ganz aus dem Blick verschwunden: das des Nachttopfs, der einem zu Großmutters Zeiten den dunklen und kalten Weg zum oft noch außen gelegenen Abort ersparte. Und wer dabei seinen nächtlichen Bedürfnissen besonders stilvoll nachkommen wollte, der leistete sich nicht etwa nur einen Topf, sondern gleich einen ganzen Nachtstuhl in der Anmutung eines gediegenen Ledersessels.
Nun handelt es sich bei der Alten Dombach aber um ein Papiermuseum, weswegen sich der letzte Ausstellungsraum dem zumindest in unserem Kulturkreis entscheidenden Handwerkszeug eines jeglichen Toilettenbesuchs widmet: dem Klopapier. Dessen Anfänge, man kann das gerade in einem gedruckten Medium durchaus mit einem gewissen Stolz erwähnen, wären ohne die sinnvolle Zweitverwertung zu Ende gelesener Zeitungen nicht denkbar gewesen.
Erst mit der Verstopfungsanfälligkeit moderner Abwasserrohre wuchs das Bedürfnis nach einer geschmeidigeren Ausführung, die schneller zur Auflösung bereit ist. Die Branche spricht da von „temporärer Nassfestigkeit“. Das Toilettenpapier war geboren. In Deutschland im Übrigen nicht, wie vielfach behauptet, durch den Fabrikanten Hans Klenk (Hakle). Der brachte sein Klopapier von der Rolle mit fester Blattzahl zwar 1928 auf den Markt. Aber das erste perforierte Toilettenpapier auf deutschem Boden wird bereits 1879 in der deutschen Papier-Zeitung erwähnt.
Weicher ab 1958
Hakle kann sich allerdings auf die Fahnen schreiben, das Ganze schrittweise angenehmer gestaltet zu haben: durch die Entwicklung und Einführung des mehrlagigen und damit auch weicheren Tissue-Papiers ab 1958.
Bei der Zusammenstellung der historischen Exponate hatten es die Ausstellungsmacher im Übrigen nicht leicht: „Toilettenpapier zu sammeln, ist schwierig. Es gibt keine Sammler“, sagt Kuratorin Annette Schrick. Mit Beharrlichkeit hat sie gleichwohl allerlei Kurioses entdeckt. Beispielsweise den Düsseldorfer Papierhersteller Feldmühle, der sein Klopapier 1929 zunächst sinnigerweise „Servus“ nannte, 33 Jahre später aber lieber auf das spanische „Adios“ als Markennamen umschwenken wollte. Das deutsche Wirtschaftswunder war halt internationaler geworden. Aber der katholischen Kirche war dieser Abschiedsgruß (wörtlich: Gott befohlen) an diesem Ort dann doch zu blasphemisch. Die Namensidee wurde wieder fallen gelassen.
Ein Besuch verspricht also kurzweilig zu sein – durchaus auch mit Kleinkindern in der analen Phase.