Ai Weiwei gibt bei Arte Einblick in seine Arbeit
Berlin (dpa) - Kunst ohne Künstler: Wenn am Mittwochabend im Berliner Martin-Gropius-Bau die spektakuläre Ausstellung „Ai Weiwei - Evidence“ feierlich eröffnet wird, fehlt die Hauptperson.
Der berühmteste chinesische Künstler wird nach wie vor in seiner Heimat festgehalten und auf Schritt und Tritt überwacht.
Die Fernsehzuschauer in Deutschland können sich gleichwohl ein persönliches Bild von der Arbeit des 56-Jährigen machen. Fast zeitgleich mit der Ausstellungseröffnung läuft bei Arte (Mittwoch, 21.35 Uhr) eine Dokumentation über seine Vorarbeiten in Peking. Der Kunsthistorikerin und Filmemacherin Grit Lederer ist trotz aller Schikanen ein sehr persönlicher und anrührender Besuch bei „Meister Ai“ gelungen.
„Manchmal bin ich verzweifelt und hoffnungslos, aber manchmal auch voller Freude“, sagt der Künstler gleich zum Auftakt. „Ich fühle, dass sich die Ausstellung lohnt.“ Er hat den Martin-Gropius-Bau nie gesehen und wird doch 18 Säle und 3000 Quadratmeter wie aus einem Guss mit seinen raumgreifenden Installationen bespielen.
„Soll es politisch werden?“, fragt er Museumsdirektor Gereon Sievernich zu Beginn der Zusammenarbeit vor zwei Jahren. Und weil es ein klares Ja als Antwort gibt, zeigt der prominente Regimekritiker in Berlin etwa die originalgetreu nachgebaute Zelle, in der er vor drei Jahren ohne Angabe von Gründen 81 Tage festgehalten wurde.
In der Dokumentation ist er auch mit den verrosteten Eisenträgern zu sehen, die er nach dem verheerenden Erdbeben von Sichuan 2008 in eingestürzten Schulgebäuden gesammelt hat. 5000 Kinder wurden damals unter den Trümmern begraben. „Ich bin kein Politiker, ich bin nur ein Künstler, der einige Wahrheiten ausspricht“, sagt er.
Trotz der bedrückenden Situation hat die Filmemacherin den Künstler als offen und manchmal fast ausgelassen erlebt. „Er hat Witz und Lebensfreude“, erzählte sie am Montagabend bei der Vorpremiere im Gropius-Bau. „Es ist schön, mit ihm zusammenzusein, weil er so eine herzliche Ausstrahlung hat.“
Lederer und ihr Kameramann waren mit einem Touristenvisum nach Peking gereist, sie als „Hausfrau“, er als „Lehrer“, nur eine einfache Kamera im Gepäck. Wie jeder Gast, wurden sie vor dem Haus von einem halben Dutzend Überwachungskameras empfangen, an die Ai - bitterschwarzer Gruß ans System - jeweils einen gelben Lampion gehängt hat. Doch im Inneren stoßen sie zwischen zahllosen Katzen und vielen jungen Helfern nur auf offene Türen.
Einmal diskutiert Ai beispielsweise bis ins skurrilste Detail mit Sievernich, wie das drei Tonnen schwere Marmormodell einer zwischen Japan und China umstrittenen Insel durch die engen Berliner Museumsfenster gehievt werden kann. „Die Menschen werden darauf herumtrampeln“, warnt Sievernich. „Es ist Stein“, gibt der Künstler ohne Anflug von Eitelkeit heraus.
Ein andermal nimmt er die Gäste aus Deutschland mit in die eine Fahrstunde von Peking entfernte Fabrikhalle, in der seine großen Werke gefertigt werden. Mehr als 6000 meist historische Schemel aus der Ming Dynastie werden für die zentrale Installation im Lichthof des Gropius-Baus renoviert. „Es sind die letzten Objekte, die Familien mit ihrer Vergangenheit verbinden“, sagt Ai. „Ich bin wie einer der Hocker, der zurückbleibt.“