Museum Kunstpalast Ausstellung: Im Ehrenhof wird der Vorhang gelüftet
„Verhüllung und Enthüllung“ ist das Thema einer großen Schau mit vielen Klassikern im Museum Kunstpalast. Am Freitag ist Eröffnung.
Düsseldorf. Wie ein Schalk breit grinsend begrüßt der Schweizer Maler Jean-Etienne Liotard die Gäste in der Ausstellung „Hinter dem Vorhang“ im Museum Kunstpalast im Ehrenhof. Mit ausgestrecktem Zeigefinger verweist er auf einen grünen Dekorationsstoff, geht es doch um das Wechselspiel von Zeigen und Verbergen in dieser Schau. Wo die Kleider fallen, kommt nicht immer die Unschuld zum Vorschein.
Es sei denn, der Blick fällt auf Hans-Peter Feldmann, der sich mit dem bloßen roten Stoff auf einer Metallstange begnügt, wobei nichts hinter dem Tuch zu erwarten ist. Museumschef Beat Wismer bittet zu einem Marsch durch die Kunstgeschichte. Dabei bekommt der Besucher nicht nur Spaß, sondern zuweilen auch eine Gänsehaut, wenn etwa Giuseppe Sanmartino in seinem „Verschleierten Christus“ (1752) das Mysterium des Göttlichen in einer kleinen Terrakotta ahnen lässt.
Beat Wismer blättert die Geschichte des römischen Autors Plinius aus, der den Wettstreit der Maler Zeuxis und Parrhasios beschreibt. Der eine malt täuschend echte Trauben, auf die sich die Vögel stürzen, der andere malt vor das getreue Abbild einen Vorhang, den der Tölpel Zeuxis wegschieben will, obwohl er nichts als das Bild selbst ist. Die Lehre, die die Ausstellung daraus zieht, ist die Gleichsetzung der Malerei mit der Technik der Täuschung.
Der Vorhang beflügelt aber auch die Neugier des Menschen, das Verhüllte zu enthüllen, um hinter die Schlichte zu kommen. Es ist ein Vergnügen, all die Fallen zu entdecken, die ihm die Künstler stellen. Der Maler Christiaen van Couwenbergh reicht dem Kunstgänger einen Früchtekorb mit Trauben zum Reinbeißen und eine Schöne mit üppigem Busen, die so frei ist, auch noch den Vorhang zu lüften.
Ein Höhepunkt der Schau läuft unter dem Thema „Vera Icon“ („wahres Bild“). Es gilt dem Schweißtuch der Veronika. Sie reichte es Christus auf seinem Weg nach Golgatha. Als er es an sein Antlitz drückte, nahm es Schweiß, Blut und andere Körperartikel auf. Mit diesem Icon ist gleichsam die urchristliche Bildfeindschaft überwunden. Grandios, wie der Meister von Sankt Laurenz in Köln anno 1400 das Antlitz des Gottessohnes auf ein aufgemaltes Tuch auf Leinwand überträgt. Ein in sich gekehrtes Antlitz. Das Tuch erfasst die Grenze zwischen Materialität und Transzendenz.
Ein weiterer Höhepunkt ist das Porträt des Mailänder Erzbischofs Filippo Archinto (1558) von Tizian. Der Maler nobilitiert nicht den Herrscher, wie es viele Kollegen tun, sondern präsentiert indirekt die Intrigen und Ränkespiele, die diesen strengen Reformer zu Fall brachten. Tizians Held wird zur Hälfte verhüllt, der Schleier geht durch sein scharfes Auge, das dem Klerus wie der Aristokratie missfiel. So musste er, obwohl vom Papst ernannt und vom König bestätigt, nach Bergamo entweichen. In die Mailänder Kathedrale kam er erst nach seinem Tode.
Die Künstler der Gegenwart sind bei dem Vorhang-Thema nicht zimperlich. Sylke von Gaza suggeriert in ihrem von Ultramarin unterlegten Rot die klerikalen Roben mitsamt den Machtkämpfen hinter der Robe. Verpackungskünstler Christo umwickelt mit Seil und abgewetzter Plane einen Beegle. Nichts als das Tuch zeigt Jörg Sasse als C-Print und Gerhard Richter als brillantes Streifenpanorama in Ölfarbe. Mit Witz gemischt ist die Installation von Julia Gruner, die ihre weiße Acrylfarbe so dick auf eine Stellwand pinselt, dass sie abrutscht. Nun liegt die Farbhaut wie ein Bildvorhang auf dem Boden.
Nicht immer endet die Kunst der Verschleierung glimpflich. Präsentiert wird der Schleier auch im Terror, wo er von islamistischen Selbstmordattentätern zur Abschreckung benutzt wird. Hier verstummt jede Reflexion, endet die Kunst.