Chemnitzer Peredwischniki-Schau war ein Erfolg

Chemnitz (dpa) - Die Ausstellung „Die Peredwischniki. Maler des russischen Realismus“ lockte bis Pfingsten mehrere zehntausend Besucher nach Chemnitz.

Nach drei Monaten in den Chemnitzer Kunstsammlungen gehen die 87 Bilder der von 1863 bis 1923 bestehenden Künstlerbewegung nun nach Russland zurück. Generaldirektorin Ingrid Mössinger verweigert unterdessen die Herausgabe der Besucherzahlen. Sie würden immer wichtiger, sagten aber „wirklich nichts über den Wert von Kunst aus“, sagte Mössinger der Nachrichtenagentur dpa.

Frau Mössinger, wie erklären Sie sich den Ansturm auf die Peredwischniki?

Mössinger: „Die Peredwischniki waren als Gruppe im deutschsprachigen Raum so noch nie zu sehen. Der Erfolg hat aber vor allem mit der Qualität der Malerei und der Bildsprache zu tun. Den Besuchern gefällt der realistische Stil, die Darstellung aller gesellschaftlichen Schichten, von der Aristokratie bis zu einfachen Bauern. Die Bilder sind von höchster technischer Virtuosität, von Künstlern gemalt, die bis zu 15 Jahren an der Akademie studierten. Im Unterschied zu den westlichen Realisten enthalten die Porträts und sogar die Landschaften eine besondere psychologische Tiefe. (...) Dazu kommen die Neugierde und der Wiedererkennungswert für ostdeutsche Besucher: Bilder wie Ilja Repins "Wolgatreidler" gab es zu DDR-Zeiten in Schulbüchern und auf Plakaten. Da freut man sich natürlich besonders darauf, endlich einmal das Original zu sehen.“

Hat Sie die Wirkung dieses besonderen Ost-Faktors überrascht?

Mössinger: „Zunächst hat mich der Besucheransturm verblüfft, unser Museum kam räumlich an seine Grenzen. Als ich aber erfuhr, dass einzelne Bilder für viele Menschen Teil der Kindheitserinnerungen waren, ein Stück Heimat, hat es mich nicht mehr so sehr überrascht.“

Wo ordnen Sie den Peredwischniki-Erfolg persönlich ein?

Mössinger: „Die Ausstellung hat für mich das Gewicht von "Picasso et les femmes". Sowohl Picasso wie auch die Peredwischniki stehen für Aufbruch, mit erheblichen Folgen für das 20. Jahrhundert.“

Die Picasso-Schau von 2002/03 war ein Publikumsrekord. Auch zu den Peredwischniki kamen Tausende. Warum verweigern Sie die Nennung einer Besucherzahl?

Mössinger: „Seit Jahren werden die Besucherzahlen immer wichtiger. Tatsächlich aber sagen sie wirklich nichts über den Wert von Kunst aus. Es ist ein rein statistisches Ergebnis, in gewisser Weise dem Zufall unterworfen. Jeder weiß das. Die Qualität von Kunst kann man weder am materiellen Wert, den ein Werk hat, noch an Besucherzahlen messen.“

Sehen Sie nun die Zeit gekommen, den Blick weiter verstärkt nach Russland zu richten - und vielleicht auch die künstlerischen Enkel der Peredwischniki zu zeigen?

Mössinger: „Einen der bedeutendsten künstlerischen Enkel aus Russland haben wir bereits im Jahr 2001 mit der Ausstellung "Ilya Kabakov - 50 Installationen" ausführlich präsentiert. Ich denke aber durchaus, dass wir den Blick mehr nach Osten richten sollten, damit sich eine Balance in der Wahrnehmung von Kunst herstellt. Das betrifft aber vielleicht eher westdeutsche Häuser. Die Kunstsammlungen Chemnitz zeigen mit "A Balkan Tale" als nächste Ausstellung Fotografien von sechs Künstlern aus verschiedenen Balkan-Ländern.“