Der WDR macht seine Kunst zu Geld
Köln (dpa) - Wo Max Beckmanns „Möwen im Sturm“ zuletzt hingen, weiß man im WDR gar nicht mehr zu sagen. Jetzt hängen sie jedenfalls bei Sotheby's. Zunächst in Köln, später in London, wo sie im Juni versteigert werden, zusammen mit zunächst 36 anderen Werken.
Weitere folgen im Dezember in Paris. Auf diese Weise soll die hauseigene Kunst des größten ARD-Senders dazu beitragen, sein Haushaltsloch zu stopfen.
Es ist nicht der erste Zugriff auf die Kunst als stille Reserve: Seit die Spielbank Aachen zwei Warhols zu Geld gemacht hat, ist eine bundesweite Debatte über Kunstverkäufe zu Sanierungszwecken entbrannt. Kritiker wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sprechen davon, dass Kunstwerke „wie Tafelsilber verscherbelt“ und „hemmungslos zu reinen Spekulationsobjekten degradiert“ würden.
Für WDR-Intendant Tom Buhrow ist die Sache klar: „Angesichts unserer schwierigen Haushaltslage wollen wir uns ganz auf unseren Kernauftrag konzentrieren: ein qualitativ hochwertiges Programm anzubieten.“ Man stelle sich doch mal vor, so heißt es im WDR, eine gute Sendung wird eingespart, und dann kommt der Redakteur bei einem Hierarchen ins Büro und sieht da das dicke Ölgemälde von Ernst Ludwig Kirchner überm Schreibtisch. Kommt gar nicht gut.
Grütters sieht das anders. Sie verweist auf den Kulturauftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalt. Und „wenn schon Kunst nicht mehr als ein Kreativitätsfaktor im Sender geschätzt wird, sollte man die Kunstwerke wenigstens an Museen des Landes ausleihen“.
Doch selbst die Museen sind nicht mehr unantastbar. Zuletzt empfahlen Wirtschaftsprüfer der verschuldeten Stadt Leverkusen, das renommierte Museum Morsbroich zu schließen. Heftige Proteste waren die Folge - sogar der stille Gerhard Richter meldete sich verärgert zu Wort.
Die Schließung eines ganzen Museums ist natürlich das Heftigste, was man sich in diesem Zusammenhang vorstellen kann. Aber heißt das auf der anderen Seite, dass überhaupt nichts verkauft werden darf? Der Kunsthistoriker Walter Grasskamp beschreibt in seinem gerade erschienenen Buch „Das Kunstmuseum - eine erfolgreiche Fehlkonstruktion“ einen Teufelskreis: Im Laufe der Zeit häuft ein Museum durch Ankäufe und vor allem durch Schenkungen zwangsläufig einen immer größeren Bestand an Kunstwerken an. Dadurch nehmen die Kosten für die Lagerung, Präsentation und Restaurierung ständig zu - das kann auf Dauer nicht gut gehen.
Buchautor Christian Saehrendt („Ist das Kunst oder kann das weg?“) sieht es ähnlich: „Kunstbesitz ist heute weit gestreut und sein Unterhalt kostspielig.“ Der Kunsthistoriker plädiert deshalb für eine tabulose Debatte über Sammlungs- und Depotbestände: Was soll erhalten werden, was kann weg? „Die Museumslandschaft sollte sich ausdifferenzieren, statt überall das gleiche langweilige Programm zu bieten: Ein bisschen abstrakte Kunst, ein bisschen klassische Moderne plus Pop Art, Baselitz, Richter etc. Wer will das noch sehen?“
Was den WDR betrifft: Der sollte sich nach Saehrendts Meinung in der Tat aufs Programmmachen beschränken. Wozu sicher nicht gehöre, eine Kunstsammlung aufzubauen und jahrzehntelang zu unterhalten. „Die Sammlung war ein ästhetischer Bonus ausschließlich für die WDR-Mitarbeiter. Wenn also der Erlös der Auktion in die Qualitätssicherung der Programme fließt, ist das zu begrüßen.“
Wobei man sich von den Erlösen auch keine übertriebene Vorstellung machen darf: Sotheby's schätzt alle 48 Bilder, die der WDR weggibt, auf zusammen knapp drei Millionen Euro. Wenn man sich die Bilder allerdings derzeit bei Sotheby's anschaut, merkt man schnell, dass dies eine sehr konservative Schätzung ist. Der tatsächliche Erlös dürfte weit darüber liegen. Sehr viel Kirchner ist dabei, dazu Ernst Wilhelm Nay, Max Pechstein... Da hat einer beim WDR in den 50er Jahren ein gutes Händchen gehabt. Dabei ging es damals keineswegs um den Aufbau einer Kunstsammlung: Die Bilder, damals noch ganz billig, wurden wohl eher unter Bürobedarf abgebucht - als Deko.