Erste Sigmar-Polke-Retrospektive in Italien
Paris/Venedig (dpa) - Durch ein Loch im Dach des deutschen Pavillons hatte Sigmar Polke die mit lichtempfindlichen Chemikalien und Pigmenten bedeckten Malereien der Sonne und der Feuchtigkeit am Canal Grande ausgesetzt.
Dafür wurde ihm 1986 auf der Biennale in Venedig der Goldene Löwe verliehen, eine der wichtigsten Auszeichnungen der Kunstwelt.
An den deutschen Maler und Venedig erinnert nun der Palazzo Grassi mit der ersten Polke-Retrospektive in Italien. Gezeigt werden rund 90 Werke, von denen viele in Zusammenhang mit Polkes zahlreichen Aufenthalten in der schwimmenden Dogenstadt stehen.
Anlass des Events ist das zehnjährige Bestehen des Museums des französischen Millionärs François Pinault. Der 79-jährige Geschäftsmann hat den herrlichen Palast am Canal Grande am 30. April 2006 eröffnet. Mit Polke feiert der Palazzo Grassi nun einen Künstler, der zu Italien und Venedig eine besondere Beziehung unterhielt. „Polke war der südländischste Künstler Deutschlands“, sagt der Kurator Guy Tosatto. Er habe die Lebensweise, die Leichtigkeit des Seins der Italiener geliebt, erklärte er. Tosatto steht an der Spitze des Kunstmuseums in Grenoble. Dort richtete er dem deutschen Künstler bereits 2013/2014 eine große Werkschau aus.
Die bis zum 6. November dauernde Retrospektive mit Werken aus internationalen Museen beginnt mit Polkes monumentaler Farbtafel-Serie „Achsenzeit“ (2005-2007) und endet mit „Schrank“, einem seiner ersten Werke, auf dem ein Strich in der Mitte und zwei Schlüssellöcher abgebildet sind. Dazwischen seine Raster- und Stoffbilder sowie seine Arbeiten mit Thermo- und Hydrofarben. Auf drei Stockwerken wird Polke als Meister-Experimenteur und Alchemist präsentiert.
„Er hat zum Teil mit sehr gefährlichen Materialien gearbeitet, Materialien, die untypisch für Maler sind. Seine künstlerische Freiheit war unbegrenzt“, erklärt Tosatto. Deshalb habe ihn auch die Französische Revolution so fasziniert. Neben der Nazi-Herrschaft und der deutsch-deutschen Wiedervereinigung eines seiner bevorzugten politischen Sujets, wie auch die Exponate zeigen.
„Das Kartoffelhaus“, „Telepathische Sitzung“ oder der monumentale Zyklus „Achsenzeit“ sind Werke, mit denen Polke zwischen 1980 und 2007 auf der Biennale in Venedig unter anderem auch im italienischen Pavillon ausgestellt wurde. Polke habe die Biennale der Documenta in Kassel vorgezogen, meint Tosatto. Aber das lag an seiner Vorliebe für den Mittelmeerraum.
Mit schätzungsweise rund 4000 Werken besitzt Pinault eine der bedeutendsten Privatkollektionen moderner und zeitgenössischer Kunst weltweit. Einen Teil stellt er seit 2009 auch in der Punta della Dogana aus, dem ehemaligen Zollhaus von Venedig. Im Jahr 2017/2018 könnte er einen dritten Kunsttempel eröffnen, diesmal jedoch in Paris. Von Polke soll der Kunstliebhaber mehr als zehn Werke besitzen.