Enwezor will das Haus der Kunst öffnen
München (dpa) - In München gemacht, für die Welt gedacht. So in etwa lässt sich zusammenfassen, was der neue Chef des Hauses der Kunst, Okwui Enwezor, sich für sein Museum überlegt hat. Internationaler ausgerichtet soll es künftig sein - mit Kooperationen und globalen Themen.
Gleichzeitig aber dreht sich in diesem Jahr alles um die dunkle Geschichte des Hauses, das 1937 von Adolf Hitler eröffnet und damals zum Sinnbild der Gleichschaltung der Kunst im Nationalsozialismus wurde. „Es ist in dem lokalen Kontext verortet, der seine Identität bestimmt hat“, sagt Enwezor am Donnerstag in München. Es ist das erste Mal seit seiner Vorstellung als neuer Direktor vor genau einem Jahr, dass er sich umfassend zu seinen Plänen äußert.
Und diese Pläne haben es durchaus in sich. Enwezor will das Haus der Kunst umbauen, die Archive ausstellen und das massive, fast bedrohlich wirkende Haus am Englischen Garten damit vor allem offener machen. „Das Haus hat einen langen Weg hinter sich“, sagt Enwezor am Donnerstag in München. „Und es hat viele Gestalten angenommen.“ Neuerdings prangt der Name des Hauses in großen schwarzen Lettern draußen an der Wand - damit eines nicht mehr passiert: „Wenn Sie noch nie in München gewesen sind und an diesem Haus vorbeifahren, dann werden Sie sich immer fragen, was für ein Gebäude das ist.“
Künstlerisch macht in diesem Jahr der polnische Künstler Wilhelm Sasnal den Anfang. Von Anfang Februar an zeigt das Haus der Kunst 60 Gemälde und eine Auswahl seiner Filme. Im Sommer stellt die Ausstellung „Bild-gegen-Bild“, die Medienbilder von Golf- und Irakkrieg oder von den Angriffen auf das World-Trade-Center zeigt, die Frage, wie sich die Berichterstattung der Medien in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Seine erste eigene Ausstellung als Kurator wird Enwezor erst im November 2012 eröffnen. Sie ist dem interkulturellen Musiklabel ECM gewidmet. „Mein Blick ist global und international“, betont der gebürtige Nigerianer.
Zentraler Punkt in Enwezors Plänen ist aber eine neue Transparenz des Kunsthauses. Und die soll sich auch im umgebauten Foyer zeigen, aus dem Enwezor eine „öffentliche Plaza“ machen will. Schwere Vorhänge hat er ab-, bislang verschlossene Türen aufreißen lassen. Damit setzt er fort, was sein Vorgänger, der Belgier Chris Dercon, unter dem Label „kritischer Rückbau“ in dem ehemaligen Nazi-Kunstbau begonnen hat.
Doch die neue Offenheit soll nicht nur architektonisch sein. Zum 75. Jubiläum des Museums in diesem Jahr zeigt die Ausstellung „75/20“ erstmals Dokumente, Bilder und Exponate aus den historischen Archiven. Es ist der erklärte Höhepunkt in Enwezors erstem Ausstellungsjahr. „Das gesamte Jahr wird der Reflexion über die Geschichte des Gebäudes gewidmet sein“, sagt er.
Vom 10. Juni 2012 an soll die Ausstellung mit dem Titel „75/20“, die auch Exponate aus der Großen Deutschen Kunstausstellung der Nationalsozialisten von 1937 enthalten soll, im Haus der Kunst gezeigt werden. Anfang 2013 soll eine Dauerausstellung eingerichtet werden. Im Herbst 2011 war eine Forschungsplattform zur Aufarbeitung der NS-Kunstausstellungen freigeschaltet worden.
„Das dient allein der Entmystifizierung“, betonte Enwezor bereits im November im Interview der Nachrichtenagentur dpa. Die Öffnung der Archive soll aber noch mehr leisten als das: „Bislang hat sich die Erforschung in erster Linie auf die Großen Deutschen Kunstausstellungen konzentriert. Uns interessiert aber auch ein umfassender und internationaler Blickwinkel“, sagte er. „Das Archiv des Hauses der Kunst erzählt eine ganz spezielle Geschichte.“