Protest gegen Künstleraktion um Sarrazin-Buch
Berlin (dpa) - Die geplante Künstleraktion, das umstrittene Buch „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin zu sammeln und später zu recyceln, stößt wegen möglicher Assoziationen zur NS-Bücherverbrennung auf heftigen Protest.
Der Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums in Potsdam, Professor Julius H. Schoeps, sagte am Freitag: „Dieses Vorhaben ist keine Kunstaktion, sondern ein Akt der Peinlichkeit, den es zu verhindern gilt.“
Der Historiker und Mitarbeiter des Zentrums, Werner Treß, der in mehreren Veröffentlichungen die nationalsozialistischen Bücherverbrennungen vom 10. Mai 1933 erforscht hat, zeigte sich schockiert. Jedes Buch sei unabhängig von seinem Inhalt ein kultureller Wert an sich und dürfe nicht öffentlich zerstört werden. „So kommt es, dass ich ein Buch, dessen Inhalt ich zutiefst ablehne, doch in Schutz nehmen muss“, sagte Treß.
Der tschechische Künstler Martin Zet hatte dazu aufgerufen, das seiner Ansicht nach ausländerfeindliche Sarrazin-Buch an verschiedenen Sammelstellen abzugeben. Das Projekt läuft in Anspielung auf den Buchtitel unter dem Motto „Deutschland schafft es ab“. Bei der Berlin Biennale (27. April bis 1. Juli) sollten die Bücher dann in einer Installation gezeigt und nachher für einen guten Zweck recycelt werden.
Das Berliner KW Institute, der Veranstalter der Biennale, erklärte nach den Protesten, das Kunstprojekt habe nicht die Vernichtung der Bücher zum Ziel. Zet werde gemeinsam mit dem Publikum an der Frage arbeiten, welchem Zweck die Bücher anschließend zugeführt werden sollten. Der Künstler verbinde mit der Spende und der „Transformation“ der Bücher einen Akt des Widerstands gegen den polarisierenden Inhalt.
Das Berliner Haus der Kulturen der Welt, bisher einer der Unterstützer der Aktion, äußerte sich kritischer und sprach sich für eine „konzeptionelle Klärung“ aus. Dass in der öffentlichen Debatte ein Zusammenhang mit den NS-Bücherverbrennungen hergestellt werde, führe zu einer Polarisierung, sagte Intendant Bernd M. Scherer. „Das Haus der Kulturen der Welt geht deshalb davon aus, dass auch dem Künstler an einer konzeptionellen Klärung gelegen ist.“
Der Geschäftsführer des Künstlerhauses Bethanien in Berlin-Kreuzberg, Christoph Tannert, verwies darauf, dass nicht nur in der NS-Zeit, sondern auch in Osteuropa zu Zeiten des Kalten Krieges unliebsame Bücher eingezogen wurden. All diese „Dinge einer Zensurausübung“ finde er „extrem negativ“, sagte Tannert im Deutschlandradio Kultur.
Ex-Bundesbankvorstand Sarrazin hatte 2010 mit seinen umstrittenen Thesen zur Integrationspolitik eine hitzige Debatte ausgelöst.