Jäger und Gejagte: Sammler Thomas Olbricht stellt im Folkwang Museum aus
Der Essener Thomas Olbricht hat eine grandiose Kunstkollektion zusammengetragen.
<strong>Essen. Es geschieht schon einmal, dass seine elfjährige Tochter sagt: "Papa, häng den Kram ab, meine Freundinnen kommen heute nachmittag." Dann muss Kunstsammler Thomas Olbricht vielleicht ein besonders blutrünstiges, großformatiges Kopf-ab-Gemälde von Jake & Dinos Chapman oder einige der raren Utensilien aus seiner mittelalterlichen "Wunderkammer" beiseite räumen. Den "Kram" kann (muss) man derzeit besichtigen in einer Schau, die Olbricht größtenteils selber im Folkwang Museum eingerichtet hat. Einer Schau, die eine "Berg- und Talfahrt", eine "Achterbahn" der Gemütserregungen sein soll, eben wie in den Wunderkammern, die stets zugleich Süßigkeit und Schmerzen darbieten. Und es sollen viele kommen: "Ich möchte nicht für mich alleine sammeln, das würde mich einsam machen."
Und wo findet er seine Pretiosen? "Nicht in Galerien, auf Messen, nicht in Künstlerateliers. Ich brauche Distanz, alles andere würde meine Empfindung für Qualität verstellen, würde meinen ganz eigenen Blick beeinträchtigen, wenn nicht gar zerstören." Später wird er auf die Frage, wie es ihm, dem zwiefachen Arzt, gelungen sei, ausschließlich eben diese ersehnte und höchst spezielle, absolute Qualität zusammenzutragen, antworten, das wisse er nicht. Es sei halt die Schulung des eigenen Blicks und, ganz wichtig, der "eigenen Ideen".
Ist er nun ein Jäger oder Gejagter? Da lacht er rund heraus: "Natürlich bin ich beides. Denn der erfolgreiche Jäger wird immer gejagt werden." Sein Großvater Karl Ströher, ebenfalls ein Kunstliebhaber, stieß erst im hohen Alter von 78 Jahren auf die Pop-Art, die er dann sammelte, und ein weiteres Jahr später auf Joseph Beuys, von dem er den berühmten "Block" erwarb. Diese Lust am Ungewöhnlichen, am Risiko, am Fremden muss sich vererbt haben. "Ich will ja überhaupt nichts Endgültiges hier zeigen. Es soll ein Kaleidoskop sein, und so sammle ich auch."
Thomas Olbricht sammelt, was die Künstler - die besten der Welt - im Menschen entdeckt und wie sie ihm Ausdruck verliehen haben, die Abgründe, das Chaos, die Finsternis und das Heilige. Danach hat er eine Sehn-Sucht, er lächelt fast verschämt bei dem Begriff "Sucht". Aber muss man davon nicht sprechen, wenn er drei, vier Mal im Jahr zu Auktionen nach London und New York düst, um jene Bilder zu finden, die ihn, wie Franz Gertschs "Irene", "ins Herz treffen"? Leute wie er sind begehrt auf dem Markt - und gefürchtet.
Werdegang Geboren 1948 in Wernesgrün im Vogtland. Der Urgroßvater Franz Ströher erfand die Marke "Wella", die seine Söhne Karl und Georg nach Enteignung und Flucht in Darmstadt neu gründeten. 1974 bis 1979 Promotionen zum Doktor der Naturwissenscshaften und der Medizin, 1994 Professor für Innere Medizin an der GH Universitätsklinik Essen, 1994 Gründung der ersten Schwerpunktpraxis für Endokrinologie (Wissenschaft vom Wirken der Sekrete und Hormone der menschlichen Drüsen) in Essen, 2001-2003 Vorsitzender des Aufsichtsrates der Wella AG bis zum Verkauf an Procter & Gamble
Kunst Seit 1985 Sammlungstätigkeit, seit 1992 vorwiegend internationale zeitgenössische Kunst, 2000 Berufung in das Kuratorium der Kunststiftung NRW
Privat Verheiratet, fünf Kinder, lebt in Essen