"Unperfekthaus" in Essen: Schöpferisches aus dem Chaos
Kunst: Kreative haben im „Unperfekthaus“ die Möglichkeit, in kostenlosen Ateliers zu tun, was sie wollen.
<strong>Essen. Im Eingangsbereich hat ein Café zu früh eröffnet, scheint es, denn die Decken sind teilweise noch nicht verputzt. In der ersten Etage riecht es nach Räucherstäbchen, von etwas weiter oben dröhnen dumpfe, leise Klänge einer Band, die Gesellschaft und Kapital nicht mag. Dort, wo einst die Kapelle der Franziskaner-Brüder war, hängt jetzt eine Discokugel. Erste Eindrücke aus dem "Unperfekthaus" in Essen. Dann kommt der Chef, Ideengeber für ein wahnwitziges Projekt: Reinhard Wiesemann. Vor gut zweieinhalb Jahren hat er das ehemalige Kloster gekauft und die Räume kostenfrei an Kreative vergeben. Bedingung: Ihre Tätigkeit muss legal, interessant und eben kreativ sein - und sie müssen sich dabei über die Schulter schauen lassen. Von zahlenden Besuchern. Reinhard (im Haus duzen sich alle) mischt sich nicht ein. Nur ein Künstler, der blutüberströmte Kruzifixe herstellen wollte, bekam keinen Raum. "Alle anderen können mit den Räumen tun, was sie wollen. Alles ist bewusst unperfekt und veränderbar, nur in dieser Umgebung kann Kreativität entstehen."
Aus kreativem Freiraum kann eine erfolgreiche IT-Firma werden
Er will mit dem "Unperfekthaus" weitergeben, was ihm seine Eltern ermöglicht haben: einen Hobbykeller zu seiner freien Verwendung, den er nicht einmal aufräumen musste. Aus dem kreativen Kellerloch entstand eine Computerfirma mit heute 50 Mitarbeitern, die Wiesemann viel Geld eingebracht hat. Noch kann es ihm egal sein, dass sein Haus hohe Verluste macht. Viele Besucher kamen bisher nicht.
Doch ein Besuch lohnt sich jetzt schon. Beeindruckend ist die Vielfalt in mehr als 70 Räumen auf über 3500 Quadratmetern. Malerei und Bildende Kunst sind vertreten, es gibt einen Elektronikraum, Musikgruppen, Projekte für Kinder, Design-Ateliers, Kaffee- und Didgeridoo-Workshops, Vorträge, Seminare, Gesprächskreise. 388 Personen arbeiten an 304 Projekten, viele Räume sind mehrfach belegt.
Im "Unperfekthaus" gibt es auch einige "Wünstler", deren Kunst mehr von "wollen" denn von "können" kommt. Und Kreative, die ihr eigenes Klischee sind - der detailverliebte Physik-Nerd etwa oder zwei Männer in Leggins, die zu meditativer Musik seltsam zucken. Das stört freilich niemanden. Und kann ja ebenfalls sehr unterhaltsam sein.
Adresse Essen, Friedrich-Ebert-Straße 18, nahe Limbecker Platz.
Geöffnet Das Haus hat täglich von 10 bis mindestens 23 Uhr offen. Welche Künstler gerade anwesend sind, ist aber Zufall. Spezielle Veranstaltungen sind im Internet aufgelistet.
Eintritt Besucher zahlen 5,50 Euro. Dafür gibt es Kaffee und alkoholfreie Getränke umsonst.
Kontakt Auskunft zu Raumvermietung oder Veranstaltungen unter info@unperfekthaus.de und Telefon 02 01/84 73 50.
Internet: www.unperfekthaus.de