Museum Ludwig Köln: Träume von Liebe und Lust
Kunst-Sensation: Das Kölner Museum Ludwig zeigt die erste Retrospektive des französischen Malers Balthus in einem deutschen Kunsthaus.
Köln. Balthus (Balthazar Klossowski) wird in Deutschland gezeigt, das ist die Sensation dieses an Events so reichen Kunst-Sommers. Kasper König, global player der Kunstszene und Chef des Kölner Museum Ludwig, spricht von "glücklichen Umständen" für seine illustre Schau von 70 Gemälden und Zeichnungen. Er traf vor drei Jahren eher zufällig Sabine Rewald, die einst über Balthus promovierte hatte und heute am Metropolitan Museum in New York kuratiert. Die kluge Frau brachte die Museen aus Amerika, Australien und Europa dazu, sich drei Monate lang von ihren Kostbarkeiten zu trennen. Nun erhält der Maler magischer, erotisch aufgeladener Zustände die ihm gebührende, erste Würdigung in Deutschland.
"Aufgehobene Zeit" nennt sich die Schau, eine treffende Bezeichnung für einen Einzelgänger, der in der Manier italienischer Frührenaissance gegen Trends wie Surrealismus und Abstraktion malte. Er liebte klassische Ordnungen, war ein Meister des Goldenen Schnitts und des verfeinerten Ästhetizismus. Er besuchte keine Kunstschule, sondern schulte sich an Poussin, Tiepolo, Fragonard oder Watteau, um deren Farben in die Gegenwart hinüberzuretten.
Seine Gestalten sind kindliche Frauen und Mädchen. Sie wirken verschreckt, durch die Blicke des Betrachters entblößt, aber immer zugleich entrückt, wie weggetreten. "Die Toilette von Cathy", 1933, nach einem Roman von Emily Brontë, zeigt den ätherisch anmutenden, fast nackten Körper seiner späteren Frau, eine gespenstisch blasse Vision, die mit ihrem weißen Umhang verschmilzt. Und doch ist dies kein Symbolismus, kein Kitsch, keine Romantik, sondern ein Bild von herber Schönheit - und der Liebhaber, ein Selbstporträt, sitzt auf einem Schemel und schaut weg.
Balthus verwandelte den Stil der Neuen Sachlichkeit, wie er für die 1930er Jahre typisch war, in einen zeitlosen Realismus mit viel Erotik und sehr warmen, gedämpften Farben. Er arretierte die Bewegungen, ließ etwa "Therese" sich lässig-lasziv räkeln, die Hände über dem Kopf verschränkt, und malte im Kontrast zur schlummernden Sexualität der Halbwüchsigen eine fette Katze auf dem Boden, die die Milch schleckt. Das Ganze entzückt durch den klassischen Komplementärkontrast zwischen rotem Rock und grünem Kissen.
In "Der Berg" (1937) reckt sich seine angebetete Antoinette empor, als wolle sie in der unbequemen Haltung mit den lichtvollen Bergen konkurrieren, während der Wanderer in einer knieenden Beuge verharrt. Derlei Motive inspirierten später Neo Rauch, der wie Balthus Bildfragmente zusammengesetzt.
Bei seinen Zeitgenossen war Balthus berühmt als Porträtist. Er pflegte seine eigenen inneren Spannungen auf junge Mädchen zu übertragen und Sinnbilder zwischen Traum und Wirklichkeit, sexuellem Erwachen und naiver Kindlichkeit zu schaffen. Dieser "Freud der Malerei" bettet seine Kind-Frauen auf Sessel, lässt sie schlafen und schlafend provozieren. Mit derlei Tändeln zwischen Erotik und Unschuld erregte er 1934 bei seiner ersten Ausstellung einen Skandal. Drei Bilder dieser Schau sind in Köln zu sehen.
Vita Balthazar Klossowski wird im Schaltjahr 1908 in Paris geboren, als Sohn deutsch-polnischer Eltern. Vater Erich Klossowski ist Kunthistoriker, die Mutter Baladine ist der umschwärmte Mittelpunkt der Pariser Gesellschaft und mit Rainer Maria Rilke liiert. Den Kosenamen Balthus für Balthazar gibt ihm der Dichter Rilke. 2001 stirbt Balthus.
Frauen Seine Modelle sind seine Geliebten Antoinette, Therese, Laurence und Setsuke.
Ausstellung Museum Ludwig, Köln, neben dem Dom, bis 4.11., di so 10 bis 18 Uhr, erster Freitag im Monat bis 22 Uhr. Katalog bei Schirmer/Mosel 35 Euro.