Susan Philipsz: Klänge von verlorenen Saiten
Susan Philipsz zeigt im K 21 in Düsseldorf nichts als schwarze Lautsprecher. Doch ihre Musik dringt durch Mark und Bein.
Düsseldorf. Unvergesslich ist die Klanginstallation von Susan Philipsz (48) bei der letzten Documenta. Man hörte im stillgelegten Hautbahnhof in Kassel den Ton von Streichern, der sich wie ein Sehnsuchtsmotiv über die Gleise legte. Die Glasgower Künstlerin hatte dort, wo einst jüdische Familien nach Theresienstadt und Auschwitz verschleppt wurden, die „Studie für Streichorchester“ von Pavel Haas über Lautsprecher übertragen. Auch wer nicht wusste, dass Haas im KZ umgekommen war, fühlte sich berührt.
Jetzt wählte Philipsz vom Krieg zerstörte Musikinstrumente für ihre neue Installation im Düsseldorfer Museum K 21. „Die verlorene Saite“ („The Missing String“) nennt die Turner-Preisträgerin ihre Arbeit, für die der Kunstgänger viel Geduld mitbringen muss, denn zu sehen gibt es nur schwarze Lautsprecher. Aber zu hören ist viel. Manches Blasinstrument pfeift aus dem letzten Loch. Man spürt die Kraft der Musiker, mit der sie auf den löchrigen Hörnern blasen, bevor ihnen die Luft ausgeht. Zeit und Tod werden auf diese Weise übersetzt. Ein Video erklärt die Installation: Alle Instrumente sind beschädigt, aber sie taugen weiter zum Spielen. Da quietscht es und kreischt, es grummelt wie eine Sirene und endet dann in einer Stille.
Susan Philipsz, die inzwischen in Berlin lebt, hatte im Vorfeld 15 historische Museen kontaktiert und wurde fündig. Dort entdeckte sie alte Instrumente, deren Löcher oder zersprungene Saiten Sinnbilder der Zerstörungen sind. Sie wollte, wie sie sagt, die Zeugnisse der Kriegszeit mitsamt den Blessuren sichtbar und hörbar machen. Dazu gehören eben Dissonanzen, Unruhe, die Isolierung von Tönen, aber auch der Versuch, das Zerstörte nicht ganz zu vergessen.
Damit sich auch die Museumsbesucher des Verlustes bewusst werden, hat sie zersprungene Saiten zu Armbändern verarbeitet, die man am Handgelenk tragen und ab Dezember im Museumsshop kaufen kann.
“ K 21, Am Ständehaus, Eröffnung am Freitag, 8. November, 19 Uhr. Bis 6. April 2014