Was ist so toll an Richter?
Er gehört zu den wichtigsten und teuersten Künstlern der Gegenwart. Jetzt wird er 80 Jahre alt.
Köln. Gerhard Richter ist ein zurückhaltender Mann. Öffentliche Auftritte sind ihm außerordentlich unangenehm. Das schützt ihn keineswegs vor Jubel-Superlativen: „Picasso des 21. Jahrhunderts, schwärmt der britische „Guardian“, „Europas größter moderner Maler“, urteilt die „New York Times“. Auf den Ranglisten der wichtigsten Künstler belegt er mit großer Regelmäßigkeit Platz 1. Seine Gemälde erzielen Rekordpreise. Am Donnerstag wird der gebürtige Dresdner 80 Jahre alt wird.
Insbesondere fotorealistische Arbeiten und Stillleben entzücken ein breites Publikum — so wie die „Kerze“, die im Oktober bei einer Versteigerung zwölf Millionen Euro erzielte. Zugleich wirkt das Motiv banal. Was soll daran so toll sein?
Richter gilt heute als derjenige, der der Malerei wieder eine neue Bedeutung gegeben hat. „Zu der Zeit, als er 1961 aus der DDR in den Westen floh, sprachen viele vom Ende der Malerei“, sagt die Kunstbuchautorin Angela Wenzel aus Düsseldorf. Wenn es um möglichst realistische Abbildungen ging, war die Malerei der Fotografie hoffnungslos unterlegen. Auch der subjektive Blick der Impressionisten und Expressionisten schien ausgereizt.
Richter belebt im Laufe der Zeit alle altbekannten Genres neu: Landschaften, Seestücke, Porträts, Aktbilder, Stillleben und Historienbilder. Beispiele dafür sind sein RAF-Zyklus oder sein Gemälde zum 11. September. „Seine Wolkenbilder erinnern sogar an religiöse Malerei, da fehlen eigentlich nur noch die Engelchen“, meint Wenzel.
Ein Vorbild für viele jüngere Künstler wurde der frühere Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie dadurch, dass er sowohl gegenständlich als auch abstrakt malt. In den 60er Jahren war das undenkbar — abstrakte und realistische Maler standen sich geradezu feindselig gegenüber. Heute gilt auch dank Richter: Alles geht. „Es gibt für mich keinen Unterschied zwischen einer Landschaft und einem abstrakten Bild“, sagt er. „Bei einem gegenständlichen Bild male ich den Anblick einer vorhandenen Sache, bei einem abstrakten formt sich allmählich das Bild einer Landschaft, die ich nicht kenne. Aber die Mittel sind die gleichen.“
Und Richter macht es sich nie leicht. Jeden Tag steht er Stunden in seinem penibel aufgeräumten Atelier, einem bunkerähnlichen Bau im Kölner Villenviertel Hahnwald. Monate verbringt er damit, Farbe mit einem Rakel, eine Art Riesenspachtel, auf ein abstraktes Bild aufzutragen, bis es seinen Ansprüchen genügt — oder er es vernichtet. Denn trotz der astronomischen Preise für seine Bilder bedient Richter nicht leichtfertig den Markt.
Auch mit seinem Fenster für den Kölner Dom hat er sich Zeit gelassen. Es besteht aus 72 Farbtönen, deren Anordnung er von einem Zufallsgenerator zusammenstellen ließ. Doch nach langem Probieren entschied er sich dafür, nur die eine Hälfte des Fensters per Rechner auszulosen, die andere aber zu spiegeln. Dadurch wurde der Gesamteindruck deutlich ruhiger.
Das Ergebnis überzeugt auch Skeptiker. An einem sonnigen Tag wirft das Fenster ein wunderbares Farbenspiel auf die Mauern und Säulen. Man schaut und denkt: keine weiteren Fragen.