Wie Peter Paul Rubens Asyl in Deutschland fand
Köln (dpa) - In Köln stehen viele berühmte Kirchen, aber St. Peter gehört nicht dazu. Das Gotteshaus liegt etwas versteckt und ist von außen unscheinbar. Drinnen aber gibt es etwas zu sehen: die „Kreuzigung Petri“, ein gewaltiges Gemälde von Peter Paul Rubens (1577-1640).
Es ist ein Spätwerk des flämischen Malers aus einer Zeit, als Europas Könige bei ihm Schlange standen, um noch ein Bild dieses gefragtesten aller Künstler zu ergattern. Warum nur malte Rubens dann für die kleine Kölner Kirche? Die Antwort mag überraschen: Als Kriegsflüchtling hatte er in Deutschland Asyl gefunden.
Die Eltern, Jan Rubens und Maria Pypelincx, kamen 1569 nach Köln. Es waren Bürger aus Antwerpen. Als Protestanten mussten sie dort Verfolgung und Tod befürchten, denn die damaligen Niederlande - die auch Belgien umfassten - wurden von den katholischen Spaniern beherrscht. Bald brach ein Bürgerkrieg aus, furchtbare Massaker ereigneten sich, und einer der größten Flüchtlingsströme der frühen Neuzeit kam in Gang.
Die Behörden der katholischen Stadt Köln waren voller Misstrauen gegenüber den protestantischen Asylsuchenden. Das bekam auch Jan Rubens zu spüren. Er wurde ausgewiesen - binnen acht Tagen sollte er die Stadt verlassen. Doch als ehemaliger Antwerpener Stadtverordneter wusste er genau, wie man Eindruck macht auf den Amtsstuben: Er legte Schriftstücke vor, die seinen beruflichen Werdegang dokumentierten und glaubhaft machten, dass er als Advokat problemlos für seinen Lebensunterhalt sorgen konnte. Das Vorgehen erwies sich als goldrichtig, denn an gut ausgebildeten Fachkräften hatte die Handelsmetropole Köln großes Interesse: Umgehend erhielt Rubens eine Aufenthaltserlaubnis.
Erste Adresse der Familie war die Breite Straße in der heutigen Fußgängerzone; dann zog sie in die Sternengasse 10 um. Hier wuchs auch der 1577 in Siegen geborene Peter Paul auf. In Köln bekam er seinen ersten Schulunterricht, und in den reich ausgeschmückten Kirchen der Stadt muss er zum ersten Mal mit der Malerei in Kontakt gekommen sein. Zunächst wurde er noch als Protestant erzogen, doch nach seinem fünften Geburtstag trat die Familie zum Katholizismus über und ging fortan in St. Peter zur Kirche. Als der Vater 1587 starb, wurde er dort auch begraben. Zwei Jahre später kehrte die Mutter mit ihren drei Kindern nach Antwerpen zurück, wo sich die Lage mittlerweile beruhigt hatte.
Rubens hat sich später gern an seine Zeit in Deutschland erinnert. Als alter Mann schrieb er 1637: „Ich liebe die Stadt Köln, weil ich da bis zu meinem zehnten Lebensjahr aufgezogen worden bin. Seit Jahren schon fühle ich oft den Wunsch, sie wiederzusehen.“ Der Wunsch sollte nicht in Erfüllung gehen, Rubens war schon schwer krank. Aber zum Zeichen seiner Verbundenheit schuf er für St. Peter die „Kreuzigung Petri“.
Im Laufe der Zeit haben Fürsten und Sammler versucht, der kleinen Gemeinde das kostbare Gemälde abzukaufen. Französische Revolutionstruppen verschleppten es 1794 in den Louvre, englische Bomber verwüsteten die Kirche im Zweiten Weltkrieg, ausgerechnet am Namenstag von Peter und Paul. Doch das Bild überdauerte alle Katastrophen und kehrte immer wieder zurück. Bis auf den heutigen Tag hängt es genau an dem Platz, für den das Flüchtlingskind Rubens es bestimmt hat.