Adeles „25“ und die Angst vor dem Internetleck
Berlin (dpa) - Adeles Twitter-Botschaft an ihre seit langem ungeduldig wartenden Verehrer endet mit einer Entschuldigung: „Es tut mir leid, dass es so lange dauerte. Aber mir ist das Leben dazwischen gekommen.“ Ansonsten sei sie mit sich „im Reinen“, und davon handele auch ihr neues Album „25“, das am Freitag erscheint.
Der erste Song daraus heißt „Hello“. Im Text der melancholischen Ballade geht es um „all diese Jahre“, seit man sich zuletzt sah. Adeles schönes Lied und ihr Video brechen bereits sämtliche Internetrekorde.
Doch nicht nur Popfans in aller Welt freuen sich auf die dritte Studioplatte der Britin. Auch für die dahinter stehenden Manager ist „25“ ein mit höchster Nervosität erwartetes, vor Öffentlichkeit und Medien konsequent verstecktes Opus magnum. Denn Adele ist eine der wenigen verbliebenen „Cash-Cows“ einer kriselnden Branche - ein Kommerz-Hoffnungsträger für Millionenumsätze. Das vergebliche Hoffen auf neue Adele-Songs setzte auch der Musikindustrie hart zu.
Es ist in der Tat schon ziemlich lang her, dass man von Adele Laurie Blue Adkins aus London, einer der besten britischen Sängerinnen aller Zeiten und Grammy-Abonnentin, etwas gesehen oder gehört hatte. Für das schnelllebige Pop-Geschäft sogar eine kleine Ewigkeit: Vor fast fünf Jahren kam ihr zweites Werk „21“ heraus, ein allein in den USA weit über zehn Millionen Mal verkauftes weltweites Nummer-eins-Album - nach aktuellen Daten des New Yorker Magazins „Billboard“ stand seit Beatles-Zeiten keine Platte so lang und so erfolgreich in der US-Hitliste. Vor drei Jahren dann der grandiose James-Bond-Titelsong „Skyfall“, mit dem Adele einen Oscar gewann. Danach: Funkstille.
Ebenfalls im Herbst 2012 wurde Adele Mutter eines Sohnes - ein wichtiger Teil des ganz normalen Lebens, das dem Star „dazwischen“ kam. „Damit ich in der Lage bin, mit ihm mitzuhalten, muss ich mich mit Sport quälen“, so begründet die inzwischen 27-Jährige nun im „Zeit-Magazin“ mit britischem Humor ihre neu erwachte Bereitschaft, ins Fitnessstudio zu gehen.
Typisch Adele: Eitelkeiten sind ihr ziemlich fremd. Schon früher bestand sie darauf, einfach nur die nette junge Frau von nebenan zu sein, die auch mal ein paar Kilos zu viel auf die Waage bringt. Ihr Training sei „nur Notwehr, damit ich nicht schlappmache“, versichert Adele nun vor dem Neustart. Auch Rauchen und Alkoholexzesse verkneife sie sich vor allem ihrem Dreijährigen zuliebe. Das Söhnchen treibe sie sogar gewissermaßen zum Comeback an, sagte sie in der Sendung „60 Minutes Australia“: „Ich lasse mich nicht durch allzu viel motivieren, sicherlich nicht durch Geld (...) - aber mein Kind soll sehen, wie seine Mama die Sache wieder ans Laufen kriegt.“
Auch „25“ - wie bereits bei „19“ und „21“ benannt nach dem Alter, in dem sie die Songs schrieb - soll für Adele ein Album sein, das wegen seiner Qualität gekauft wird. Die stimmgewaltige Balladensängerin verortet sich selbst bei „Folk und Country bis hin zu R&B und Soul“. Das dürfte auch ihre aktuellen Lieder einigermaßen umschreiben, die bisher weitestgehend gehütet werden wie die britischen Kronjuwelen.
Nach der Single „Hello“ kam am Dienstag ein weiteres „25“-Lied zum Vorschein: „When We Were Young“, ein Adele-Song, wie die Fans ihn lieben dürften. Am Dienstag wollte sie das Album in der Radio City Music Hall von New York live vorstellen. Die Namen einiger ihrer Mitstreiter sind bekannt: die Produzenten Greg Kurstin, Danger Mouse und Phil Epworth, Pianist Tobias Jesso Jr., Popsänger Bruno Mars. Mit Damon Albarn (Blur) und Phil Collins stimmte die Chemie nicht.
Was die Platte in Gänze betrifft, verwies das Label XL selbst gut vertraute Musikjournalisten auf das offizielle Veröffentlichungsdatum 20. November. Offenbar könnte ein jeder Vorabhörer in der digitalen Realität illegaler Gratis-Downloads eine undichte Stelle, ein „Leck“ sein. Meist sind es nach Ansicht von Branchenkennern Mitarbeiter der CD-Produktion oder des Tonträgervertriebs oder auch Hacker, die ein Album teilweise weit vor dem geplanten Termin ins Netz stellen. Aber auch Medienvertreter gelten bisweilen als verdächtig.
Wie sie und ihr Management es schaffen konnten, „25“-Details bis auf die Ende Oktober veröffentlichte Vorab-Single komplett geheim zu halten, wundert Adele selbst. „Das war schwer, glauben Sie mir“, sagte sie dem „Zeit-Magazin“. „Es waren schließlich ziemlich viele Leute involviert, was nie ohne Risiko ist. Aber alle haben die Klappe gehalten.“ Es ging dabei wohl nicht nur um Verschwiegenheit, sondern auch um Strategien, wie sich ein Album gegen umsatzrelevante Lecks optimal absichern lässt. Spätestens seit sich Madonna Ende vorigen Jahres nach einer illegalen Vorabveröffentlichung von Song-Demos ihres bevorstehenden Albums „Rebel Heart“ über „künstlerische Vergewaltigung“ erboste, schrillen die Alarmglocken.
Adeles Plattenfirma setzt nun auf vergleichsweise radikale Methoden: Nicht einmal ein Internetstream wurde Medien für Albumbesprechungen angeboten, geschweige denn ein Download der „25“-Songs mit Watermarked-Code gegen unerwünschte Weiterverbreitung oder gar eine bei weniger prominenten Künstlern weiterhin übliche Promotion-CD. Dass es selbst bei allergrößter Vorsicht eleganter geht, beweist die Veröffentlichungspolitik von David Bowie. Sein für Januar avisiertes Album wird Ende November in einer „Listening-Session“ präsentiert, um Musikrezensenten frühzeitig verwertbare Eindrücke zu vermitteln.