Auf Stadiontour: „Panikparty“ mit Udo Lindenberg
Hamburg (dpa) - Früher floss bei Udo Lindenberg vor Konzerten der Alkohol, heute fließt der Schweiß. „So 'ne Stunde Joggen muss schon sein“, sagt der 69-Jährige. Derzeit dreht er seine Runde stets mit etwa 20 Leuten aus seiner Crew um den Maschsee in Hannover.
Dorthin hat er seine „Panikzentrale“, wie der Rockstar sein Zuhause im Hamburger Hotel „Atlantic“ bezeichnet, vorübergehend verlegt - zum Start seiner Stadiontour, die am Donnerstag mit einer großen öffentlichen Generalprobe am Vorabend des Tourauftakts beginnt. „Panikparty“ nennt Lindenberg die Shows, die sein Lebenswerk krönen sollen.
Zum ersten Mal hatte sich der Deutschrocker im vergangenen Sommer an Stadionkonzerte gewagt, nach mehr als vier Jahrzehnten auf der Bühne. Jetzt ist er mit seiner Panik-Familie erneut im „Tourlaub“, nach den beiden Shows in Hannover steht neben Frankfurt zum ersten Mal das Berliner Olympiastadion auf dem Plan. „Da geht schon ein Traum in Erfüllung“, sagt Lindenberg, dem erst kürzlich in seiner Heimatstadt Gronau ein Denkmal errichtet wurde. Wieder begleiten ihn und das Panikorchester Kollegen und Freunde wie Clueso, Adel Tawil, Jan Delay, Max Herre, Otto Waalkes und Eric Burdon.
In den größten Arenen vor Zehntausenden sind es vor allem die leisen Momente, die selbst bei einer Rocklegende für Gänsehaut sorgen. „Anfangs dachte ich, viel zu anonym das alles“, erzählt Lindenberg. „Doch dann hast du plötzlich diese ganz leisen Lieder, bei denen du die berühmte Stecknadel hören könntest, diese intimen Augenblicke, nur ein Klavier und der Sänger, völlig nackig, nur in seiner Reizwäsche.“ Diese enorme Intensität sei überwältigend, sagt einer, der alle Hochs und Tiefs des Showgeschäfts durchlebt hat.
In einem Interview vor 25 Jahren träumte der Deutschrock-Revolutionär noch davon, mit 50 auf der Bühne zu stehen. „Ja, das möchte ich gerne mal vorführen, da bin ich dann wahrscheinlich einer der ersten, der noch als Fünfzigjähriger auf die Bühne hinaufgeht“, sagte er damals. Nun wird er bald 70 - und geht für seine Fans nicht nur auf die Bühne, sondern will wieder mit diversen Fluggeräten über deren Köpfen schweben. „Bis zu den hintersten Rängen kann ich fliegen, die Sonnenbrille abnehmen und den Leuten direkt durch die Augen in die Seelen schauen.“
Zu den Zuschauern sollen in jedem Konzert rund 200 Flüchtlinge gehören, die der Musiker mit Hilfe von Flüchtlingsorganisationen einlädt. „Als Geste, um ihnen zu zeigen: So ist das Land hier, so ist die Kultur hier und solche komischen Sänger gibt es hier“, sagt er, „vor allem aber, um auf ihre Situation und ihr Schicksal aufmerksam zu machen.“ Das will er auch mit einem neuen Song, der in der Show Premiere hat: „Wir werden Freunde“ heißt das Lied. Inspiriert habe ihn Boxerin Susi Kentikian, deren Flucht als Kind mit der Familie aus Armenien zunächst auf einem Hamburger Asylbewerberschiff endete.
Dem neuen Song soll Anfang nächsten Jahres ein Album folgen - acht Jahre nach dem Erfolgscomeback mit „Stark wie Zwei“ und ein paar Monate vor dem 70. Geburtstag. Viele Pläne - und deshalb Alkohol auch nur noch in Maßen („bisschen Eierlikör zum Gurgeln muss sein“). „Mit dem Zeit-Los aus der Life-Lotterie in der Tasche kann ich noch ewig so weitermachen“, meint Lindenberg. Schließlich könne er auch gar nicht einfach aufhören: „Wenn die Nachtigall verstummt, geht ganz Deutschland schwer vermummt, gehüllt in Tüchern und in Leinen, um zu trauern und zu weinen.“
Tourdaten: 09.07. Hannover, HDI Arena, Öffentliche Generalprobe - 10.07. Hannover, HDI Arena - 14.07. Berlin, Olympiastadion - 18.07. Frankfurt/Main, Commerzbankarena