„New York state of mind“ Billy Joel begeistert Fans in Hamburg
Hamburg (dpa) - Es ist zwölf Jahre her, dass Billy Joel zuletzt in Hamburg spielte. Damals wollten ihn gerade mal 8000 Fans sehen.
Am Samstag bot sich im Volksparkstadion ein ganz anderes Bild: 30 000 Menschen feiern den „Piano Man“, der in seiner fünf Dekaden umspannenden Karriere 150 Millionen Tonträger verkauft hat, bei seinem einzigen Deutschlandkonzert in diesem Jahr.
Das Publikum in Hamburg ist mit Billy Joels Songs aufgewachsen. Die älteren Zuhörer erkennen seine unzähligen Hits meist schon an den ersten paar Takten, quittieren das mit einem tiefen Seufzen, singen mit, tanzen, wippen oder kuscheln dazu. Vermutlich hat es sich mittlerweile auch hierzulande herumgesprochen, dass ein Joel-Ticket in New York City ein begehrtes Gut ist: Seit 2014 spielt der Klavier-Barde dort einmal im Monat im Madison Square Garden — die 20 000 Tickets pro Auftritt sind weit im voraus vergriffen.
Ein Hauch von Big Apple weht auch durchs Stadion in Hamburg, als der Piano-Entertainer sein Set mit dem fetzigen „My Life“ eröffnet. Mit seiner achtköpfigen Band bringt er einen fetten Sound auf die Bühne. Niemand hält es dabei auf dem Sitz. Dass auch Joel gut drauf ist, zeigt sich bei seinem Flirt mit den Fotografen im Graben: „Hey, ihr da! Ich bin 69. Ich bin ein alter Mann. Aber viel Glück mit den Fotos“, witzelt er. Seine Glatze glänzt dazu im Scheinwerferlicht, sein Kinn ist mit einem grauen Bart dekoriert, sein pfundiger Körper in einen schwarzen Anzug verpackt. Er kann sich sehen lassen - und hören sowieso.
Es ist unglaublich, wie viele Hits der Mann hinter dem Piano seit seinem Solo-Debüt von 1971 angesammelt hat. Von der Ballade „She’s always a woman“ über die Arbeiterklassen-Hymne „Allentown“, die in einem zischenden „Tsch Uh Ah“ ihren Höhepunkt findet, bis hin zum mit Saxofon-Solo dekorierten „New York state of mind“, zu dem auf den Leinwänden neben und über der Bühne Bilder vom Big Apple bei Nacht eingeblendet werden.
Auch das von ihm selten dargebotene „Leningrad“ hat er an diesem herrlich warmen Sommerabend im Programm, denn in Deutschland ist das Stück ein Klassiker. „Sprechen Sie Deutsch? Ich spreche es ein bisschen“, meint er mit Akzent und erntet Jubel. Über seine tragische Familiengeschichte - sein Großvater musste aus Nazi-Deutschland flüchten - verliert er kein Wort. Schließlich ist er Entertainer mit Leib und Seele.
Auch seinen in Hamburg lebenden Halbbruder, den Dirigenten Alexander Joel, erwähnt er nicht. Lieber macht er Spaß. „Nun spielen wir einen religiösen Song, etwas sehr Spirituelles. Ich muss mich mal eben in Stimmung für Religion und all den Scheiß bringen“, sagt er, hängt sich eine E-Gitarre um und stellt seinen Roadie Chainsaw vor. Joel spielt die unverkennbaren Riffs von AC/DCs „Highway to hell“, Chainsaw übernimmt die Vocals, und das Stadion wird plötzlich zur Hard-Rock-Arena. Gar nicht mal verwunderlich, träumte Joel in seinen Anfängen doch davon, erfolgreicher Rocker zu werden.
Wie ein Berserker wirft er am Ende von „It’s still Rock and Roll to me“ seinen Mikrofonständer einem Crew-Mitglied zu. Aber auch für den Tenor Mike, der Puccinis „Nessun Dorma“ darbietet, ist in seiner Show Platz. „It's a pretty good crowd for a saturday“ — die Zeile aus dem Klassiker „Piano Man“ scheint Joel an diesem Abend besonders leicht über die Lippen zu gehen.
Der Meister wird am 18. Juli sein nächstes Konzert geben, dann wieder im gewohnten Terrain des Madison Square Garden. Es wird sein 100. Auftritt an dem berühmten Spielort.