Birdy: Ein Vögelchen hat’s gezwitschert

Ein Netzclip als Karrierekick? Das gibt’s häufig. Eine 15-Jährige, die klingt wie ein alter Hase? Das ist selten. Die Geschichte von Birdy.

Düsseldorf. In wenigen Wochen wird sie 16. Sie geht noch zur Schule, trägt eine feste Zahnspange und hat ein zartes, hübsches Gesicht. Überhaupt scheint Birdy sehr zerbrechlich und schüchtern. Und wirkt gleichzeitig so erwachsen: Ihre reife, kraftvolle Stimme, ihr selbstverständliches Auftreten am Piano und ihr Kleidungsstil, der auf den ersten Blick etwas bieder wirkt, lassen es nicht zu, dass man bei ihren Liedern an einen Teenager denkt.

Immer mehr Blicke richten sich zurzeit auf die Britin, die sich zu einem der großen Nachwuchsstars des Jahres mausern könnte. Geboren wurde Birdy im englischen Lymington als Jasmine van den Bogaerde. Den Spitznamen Birdy („Vögelchen“) trägt sie seit ihrer Kindheit: Als Baby soll Jasmine vor Hunger immer so sehr ihren Mund aufgerissen haben, dass die Eltern sie so tauften.

Der Name blieb. In ihren Adern fließt britisches, flämisches und niederländisches Blut. Ihr Großonkel war der 1999 verstorbene Schauspieler Sir Dirk Bogarde („Tod in Venedig“, „Der Diener“). Das musikalische Gespür kommt von ihrer Mutter — einer Konzertpianistin. Im Alter von sechs Jahren nahm Birdy erste Klavierstunden, schrieb mit acht bereits Stücke fürs Keyboard. Ihren ersten Auftritt hatte sie wenig später auf der Hochzeit ihrer Cousine in Schottland.

Im November 2008 setzte sich Birdy im Alter von nur zwölf Jahren gegen 10 000 andere Mitbewerber durch und gewann den Nachwuchswettbewerb „OpenMic UK“. Zur selben Zeit lud sie ihr erstes Video bei YouTube hoch, auf dem sie ihr Stück „So Be Free“ singt. Es ist ein typisches Amateurvideo eines Teenagers, wie es viele gibt: Die Aufnahme ist dunkel und verwackelt, der Ton ist schlecht. Doch trotz der dürftigen Qualität wird schnell klar: Hier sitzt ein junges Talent am Flügel.

Überhaupt erfreuen sich ihre Videos im Netz großer Beliebtheit, vor allem das Cover von Ed Sheerans „The A Team“. Rund drei Millionen Klicks hat das Video, obwohl es nicht viel zu sehen gibt: Birdy sitzt am Klavier und singt das ohnehin schon traurige Lied mit ihrer melancholischen Stimme. Man guckt aber eigentlich auch gar nicht zu — man möchte nur die Augen schließen und dieser wundervollen Stimme lauschen.

Birdy wirkt so reif und ist doch noch ein typischer Teenager: „Ich habe Ed Sheeran mal getroffen, das war toll! Aber ich wusste gar nicht, was ich ihm sagen sollte“, erzählt sie schüchtern in einem Interview.

Das Debüt von Birdy besteht fast ausschließlich aus Coverversionen der Lieblingslieder ihrer Familie: „Mein Vater liebt die Musik von James Taylor, meine Brüder mögen die Fleet Foxes“, sagt Birdy. Zu hören sind aber auch Lieder von Phoenix („1901“) und The Naked And Famous („Young Blood“). Kaum jemand in ihrem Alter schafft es, die Songs seiner Idole so gekonnt zu arrangieren und neu zu vertonen. Auf diese Weise möchte sie sich der Welt erst einmal „vorstellen“, wie sie sagt: „Ich höre mir gerne fremde Songs an und schaue, ob sie zu meiner Stimme passen.“ Es hat aber auch ganz praktische Gründe: „Ich bin noch in der Schule und habe nicht die Zeit, ein Album mit eigenen Songs aufzunehmen.“

Warum auch so lange warten? In Europa können sich viele schon jetzt von ihrem Talent überzeugen. Allen voran natürlich auf der britischen Insel, wo das Album bereits Goldstatus erreichte. Mit „Without A Word“ ist auch ein selbstgeschriebener Titel darauf — ein schönes Stück über das Ende einer Beziehung. Und damit macht Birdy schon jetzt Hoffnung auf mehr: „Ich habe massenweise eigenes Material für ein zweites Album.“ Bis dahin sehen wir zu, wie aus einem Küken ein prächtiger Vogel wird.