Kultur Black Sabbath — Plädoyer für die Rente mit 70

In der Lanxess Arena haben die Ur-Väter des Heavy Metal musikalisch aus dem Nähkästchen geplaudert, dass es donnerte.

Black-Sabbath-Sänger Ozzy Osbourne. Archivbild.

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Köln. Vier Leute auf der Bühne, etwa 220 Lebensjahre, kein einziges graues Haar, weil moderne Coiffeurtechnik alles möglich macht. Also noch ein Beitrag über Musiker, die eigentlich aufs Altenteil gehören? Noch einmal sanftmütig, mitleidig über Stars von gestern schreiben, die es noch einmal richtig krachen lassen wollen, während der Pfleger am Bühnenrand mit dem Rollator wartet?

Nein, nein und noch einmal nein. Das haben Black Sabbath nicht verdient, nicht nach den knapp zwei Stunden in der Kölner Lanxess Arena, nicht nach fast 120 Minuten lautstarkem, kraftvollem Handwerk, das an alles erinnerte, aber nicht daran, dass da drei Mittsechziger auf der Bühne standen und sich von einem jungen, wilden Trommler willig antreiben ließen. Ozzy Osbourne, Tony Iommi und Geezer Buttler sind Ur-Gesteine des Heavy Metal, Wegbereiter von Bands wie Metallica, Manowar und Slayer, Vorbilder. Aber wirklich angestaubt sind sie nicht. Dafür standen in Köln noch zu viele junge Headbanger unter den Fans der ersten Stunden. Dafür konnten zu viele Unter- 30-Jährige „War Pigs“, „Sweet Leaf“, „Children of the Grave“ mitsingen und natürlich das unvermeidliche „Paranoid“, die Zugabe eines jeden Konzertes der Metal-Pioniere.

Selbstverständlich sind die Herrn in die Jahre gekommen, fünf Jahrzehnte Sex and Drugs and Rock’n Roll haben vor allem bei Ozzy Osbourne Spuren hinterlassen. Es gibt wohl keine Droge, die der Körper des Sängers nicht hat verarbeiten müssen. Die Bewegungen noch ein wenig ungelenker als früher, die Gesten, die bisweilen etwas von einem Großvater hatten, der dem Enkelchen den Rhythmus eines Kinderliedes vorklatscht — aber wenn Ozzy singt, wenn seine klagend hexenhafte Stimme den Äther füllt, dann stehen auf der Bühne wieder diese jungen Rocker aus Birmingham, die laut, dunkel, dräuend vom Teufel singen, der die Kriegsverbrecher bestraft, die Marihuana huldigen und ihrer gesellschaftlichen Außenseiterrolle Wort und Klang geben. Dann fallen jene im Publikum nicht mehr auf, die ihre Kniescheiben im Stehen von oben schon lange nicht mehr sehen können, oder die qua Jahrgang zumindest schon erahnen, dass Prostata kein polnischer Trinkspruch ist und Inkontinenz kein Luxushotel an der Düsseldorfer Kö.

Na, und? Nichts ist anders als vor 40 Jahren, als Black Sabbath überall in der Welt die Hallen füllten. Was damals zündete, ist heute noch nicht verglüht. Der donnernde Bass von Geezer Butler, die wilden Soli von Toni Iommi und Ozzys Gesang bleiben nicht in den Textilien der Zuhörer hängen. Gänsehaut kann so schön sein. Dabei haben Black Sabbath auch ohne Ozzy bemerkenswerte Alben produziert. Die Zeit mit Ronnie James Dio war äußerst fruchtbar, auch Tony Martin drückte der Band seinen Stempel auf. Aber Sabbath ist Ozzy Osbourne und umgekehrt. Dass die Lanxess Arena sehr gut gefüllt war, dass von den Jahrgängen 1950 bis 2000 alles vertreten war, zeigt, wie sehnlich die Fans nach dem Orignal gieren, nach den fantastischen Vier aus Birmingham, von denen sich nur Schlagzeuger Bill Ward geweigert hat, noch einmal in die Vollen zu gehen, ein letztes Mal.

Die Welttournee führt „The End“ im Titel. Das ist drohend, das ist traurig, das ist dramatisch. Black Sabbath schreiben in diesem Jahr das letzte Kapitel einer Hardrock-Geschichte, welche die Musikwelt bewegt hat. Das ist umso bedauerlicher, als die zwei Stunden von Köln ein lebhaftes, lautstarkes, mitreißendes Plädoyer waren, ein Plädoyer für die Rente mit 70.