Brassens-Fieber in Frankreich

Paris (dpa) - So provokant Georges Brassens als Chansonnier war - er war auch ungewöhnlich schüchtern. Er hatte Bühnenangst und lebte lieber mit Katzen zusammen als mit Menschen.

In seinem braunen Lieblingspullover sah man ihn fast häufiger mit einer Katze im Arm als an der Seite seiner lebenslangen Freundin Joha Heiman, die er „Püppchen“ nannte. Er war brummig, ungesellig und ein Eigenbrötler. Dennoch ist Brassens, der am 22. Oktober 90 Jahre alt würde, der Franzosen liebster Chansonnier.

„Les copains d'abord“ (Zuerst die Kumpels), „Le fossoyeur“ (Der Totengräber) und „L'orage“ (Das Gewitter) sind Ohrwürmer, die 30 Jahre nach seinem Tod am 29. Oktober 1981 Klassikerstatus besitzen. Sein Repertoire besteht aus 120 Chansons, die Brassens selber geschrieben und aufgenommen hat. Viele sind in Frankreich Teil der Schullektüre. Nationale Künstler wie Maxime le Forestier, Renaud oder Barbara haben ganze Alben mit Brassens-Chansons aufgenommen, und auch auf Englisch und Spanisch wurden seine Texte vertont. In Deutschland gedenkt man der Galionsfigur des französischen Chansons mit einem Festival in Basdorf bei Berlin. Dort musste der Franzose im Zweiten Weltkrieg von 1943 bis 1944 Zwangsarbeit leisten.

Frankreich hat aus 2011 das Brassens-Jahr gemacht. Noch bis Ende des Jahres finden überall im Land Konzerte und Ausstellungen statt. Fast schon im Brassens-Fieber befindet sich Sète, die südfranzösische Hafenstadt, wo der Künstler geboren wurde und beerdigt ist. Ein besonderes Geschenk der Stadt an ihren berühmten Sohn war nach langjähriger Renovierung der Stapellauf von „Sauve qui peut“ (Rette sich, wer kann) im April. Das kleine Fischerboot hatte sich Brassens 1954 gekauft.

Warum Brassens heute noch so aktuell ist? Seine Melodien laden zum mitpfeifen und mitsingen ein, auch wenn seine Texte nicht immer leicht zu konsumieren sind. Hinter ihren poetischen und skurrilen Inhalten versteckten sich überraschende Pointen. Nur Brassens konnte aus einem frivolen Couplet über einen liebestollen Affen, der einen Richter vergewaltigt, ein Plädoyer gegen die Todesstrafe machen. Das Lied „Le gorille“ endet mit den Versen: „Auf dem Höhepunkt angekommen/ rief "Mama" der Richter in Not/ wie der Mensch, den er am Morgen/ mit seinem Urteil schickte in den Tod. Vorsicht Gorilla!“.

Sein derbes Gorilla-Lied fiel der Zensur zum Opfer und wurde erst 1955 wieder von einem Radiosender ausgestrahlt. Viele seiner Chansons galten anfangs als skandalös, weil er darin offen Spießer, Speichellecker und die Obrigkeit aufs Korn nahm. Brassens hatte sich zeitlebens auf die linke Seite der Barrikade gestellt und alles verachtet, was nach Bürgerlichkeit und Normalität roch. Und so sang und schrieb er über Dinge, über die man gewöhnlich schwieg: Sex, Aufstand, Anarchismus und Tod.

Der Erfolg stieg Brassens nie zu Kopf. Er lebte in bescheidenen Verhältnissen. Bis zum Tod blieb er ein Rebell. Frankreichs größter Chansonnier liegt nicht auf dem bekannten Friedhof „Cimetière marin“ in Sète begraben, wo der Dichter Paul Valéry seine letzte Ruhestätte fand, sondern auf dem „Cimetière de Py“, dem ehemaligen Armenfriedhof.

Brassens' Texte sind literarisch, derb, provokant. Sie sind eine einzigartige Mischung aus Poesie und Umgangssprache. Zum legendären Liedermacher ist der Autodidakt und Liebhaber der Sprache und Klänge aber wahrscheinlich auch deshalb geworden, weil er zu den letzten großen Freidenkern und Anarchisten Frankreichs gehört.

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