Peter Licht: Der Mann bleibt im Ungefähren
Mit seinem Album „Das Ende der Beschwerde“ meldet sich Peter Licht zurück und führt seine Zuhörer über verschlungene Pfade zu neuen Perspektiven.
Düsseldorf. Sein Gesicht ist eines der am besten gehüteten Geheimnisse im deutschen Musikgeschäft. Es gibt keine Fotos von Peter Licht. Irgendwie bleibt er so immer im Ungefähren, wird nicht recht greifbar.
Den Kritikern gefiel’s vom ersten Album an — kamen doch zum Geheimnisvoll-Scheuen auch noch kluge Texte hinzu, die sich mit der Gesellschaft beschäftigen, mit den großen Fragen nach Krieg und Frieden, nach Gerechtigkeit und Solidarität. Politische Texte eben.
Nach seinem Hit „Sonnendeck“ (2001) wurde Peter Licht dann sogar fast tanzbar und gefiel nicht mehr nur den Rezensenten und Leuten, die Geisteswissenschaften studiert haben. Geheimnisvoll ist Peter Licht indes geblieben.
Das beweist sein neues Album „Das Ende der Beschwerde“. „Es ist ein Sehnsuchts-Album“, sagt er selbst. „Der Traum davon, dass die Beschwerde endet.“ So richtig eindeutig und konkret benennt Peter Licht aber auch im persönlichen Gespräch nicht, was er damit meint.
Allzu viel ist seit den Alben „Lieder vom Ende des Kapitalismus“ (2006) und „Melancholie und Gesellschaft“ (2008) nicht passiert. Peter Licht ist keiner, der sich laufend neu erfindet.
Diesmal besingt er den Schwarm im Sinne von Masse, von Massenhaftigkeit, den großen Meinungsklumpen, den freien Fall des Individuums, das sich letztlich auflöst. Das alles tut er wie gehabt mit großer Geste, mit viel Poesie und Alltagsironie.
Seine intelligente Verbindung zwischen den großen Ideen, den Wünschen und menschlichen Sehnsüchten zeichnet Peter Licht von jeher aus — und „Das Ende der Beschwerde“ zeugt einmal mehr davon.
Ihn beschäftigt die Rolle des Individuums im modernen Chaos der Möglichkeiten. „Ich und die Gesellschaft, ich und die anderen — wo bin ich da?“, fragt er und wirkt dabei unentschlossen. Seine Ausführungen klingen da schon mal wie ein Grundkurs Soziologie, seine Themen setzt er aber geschickt in Szene.
Peter Lichts neues Album wirkt musikalisch experimenteller, seine Musik ist nicht immer sofort zugänglich. Gleichzeitig bedient er sich am umfassenden Repertoire des Pop-Zitats: Ein bisschen Blumfeld und irgendwie auch New Order schwirren durch den Klang- und Textkosmos von Peter Licht.
Gelebter Widerspruch, zusammengesetzte Wahrnehmung, kritische Konsumhaltung: Bei ihm erscheint die Realität als Werkzeugkasten für den gewünschten Aufruhr, den er mit Engelszungen besingt. Sehr zur Freude des Hörers, da er seine Originalität mit angenehmem Abwechslungsreichtum verbindet.
Die Kunst des Zitats ist dabei in der Anordnung verspielt und verwirrend, klingt aber am Ende stimmig und wird mit streckenweisen Ohrwürmern gespickt präsentiert.
Manchmal ist er sogar unbeabsichtigt komisch, etwa wenn er den „Immobilienhimmel“ besingt, den schon Carrie Bradshaw in „Sex and the City I“ herbeigeträumt hat. „Echt? Das wusste ich gar nicht“, sagt Licht. „Da tun sich ja neue Geldquellen auf, vielleicht rufe ich mal in Hollywood an.“ Und doch: Er ist ein besonderer Künstler, der seine Zuhörer über verschlungene Pfade zu neuen Perspektiven und innovativer Selbstreflexion bewegen will.
Das zumindest könnte eine Interpretation seines Werkes sein. Zugleich reiht er sich ein in die Phalanx der Künstler, die der deutschen Sprache viel abgewinnen können. Auch wenn seine Texte sperrig und ambitioniert wirken, sind sie am Ende doch eine gelungene Mischung aus Pop-Pathos und Subversion.
Demnächst geht Peter Licht mit seinen neuen Liedern auf Tour. Wer bereit ist, ein paar Kilometer weit zu fahren, bekommt ihn dann auch mal zu Gesicht.