Calixto Bieito feiert Doppelpremiere in Berlin
Berlin (dpa) - Ohne eine gehörige Portion Sex und Blut geht es bei Calixto Bieito (51) nicht ab.
Doch was der früher gern als „Skandalregisseur“ gehandelte spanische Theatermacher mit seiner Bildgewalt jetzt in der Komischen Oper Berlin auf die Bühne stellt, ist zumindest im zweiten Teil von seltener Wucht und Eindringlichkeit - Musiktheater in Höchstform.
Die beiden Einakter, die am Sonntag Premiere feierten, haben außer dem Jahr ihrer Uraufführung 1918 wenig miteinander gemein: Puccinis abgedrehte Komödie „Gianni Schicchi“ um eine erbgeile Familie steht unvermittelt gegen das abgründige Psychodrama „Herzog Blaubarts Burg“ von Béla Bartók. Gerade der Kontrast habe ihn begeistert, erklärt Bieito im Programmheft.
OUVERTÜRE: Es beginnt mit der klamaukhaft inszenierten Geschichte einer italienischen Familie, die sich schon am Totenbett des Familienpatriarchen in Habgier über das Erbe zerfleischt. Böse Anspielungen auf scheinheiligen Katholizismus, aberwitzige Streitszenen und skurrile Spieleinfälle bestimmen den Ton. Die junge Schweizer Sopranistin Kim-Lillian Strebel bekommt als unbescholtene Braut mit dem Schmachtfetzen „O mio babbino caro“ Szenenapplaus.
DRAMA: Ohne Pause, ohne Umbau geht's in „Herzog Blaubarts Burg“. Fast unmerklich fällt die bürgerlich-antiquierte Wohnstube von „Gianni Schicchi“ nach und nach auseinander und macht düsteren, assoziativen Räumen Platz. Hier will Judith (Ausrine Stundyte) um jeden Preis das Reich ihres verschlossenen Geliebten (Gidon Saks) erkunden. In einem auch körperlich ausgetragenen Zweikampf zwischen Liebe und Hingabe, Unterwerfung und Machtgelüsten ist das Verhängnis unausweichlich. Das Orchester der Komischen Oper macht unter Dirigent Henrik Nánási die Schreckenskammern der siebentürigen Burg beklemmend hörbar.
FINALE: Regisseur Bieito inszeniert das mit seinen beiden großartigen Sängern (und Schauspielern) so dicht und beklemmend, dass dem Publikum fast der Atem stockt. Als am Schluss auch die bunte Truppe von „Gianni Schicchi“ wieder auf die Bühne kommt, wirkt sie wie aus einer anderen Welt. Auch „Blaubart“ allein hätte für einen furiosen Theaterabend gereicht.