Konzert in Köln Depeche Mode: Gefangen in der eigenen Kunst
Depeche Mode begeistern in Köln 45 000 Anhänger mit allem, was das Werk hergibt. Das funktioniert wie bei kaum einer anderen Band.
Köln. Man kann sich am Hüftschwung von Dave Gahan erfreuen, das ist der Klassiker, fast 30 Jahre lang dreht, windet und feiert Gahan seinen Körper auf der Bühne, als gebe es kein Morgen mehr, an dem es wieder so geschieht. Man kann auch die Künste von Martin Gore empathisch feiern, der „Question of Lust“, „Home“ und schließlich „Somebody“ wie Hymnen ins Rund der Kölner Arena haucht und beweist, seit 1981 den Sangeswettbewerb mit Gahan auf seine Art dominieren zu können. Wo einst Feuerzeuge brannten, leuchten dann heute Handy-Lampen, das aber beständig, die Akkus sind aufgeladen und werden nicht heiß, immerhin hat man ja geahnt, was kommt. Man weiß auch, dass sich Andy Fletcher hinter seiner elektronischen Rhythmusmaschine kaum bewegen wird und bei der euphorischen Bandverbeugung nach fast zweieinhalb Stunden den kleinsten Beugewinkel wählen wird, was immer leicht genervt wirkt, aber das dann doch eher gelebtes Image ist. Ach, was man noch alles lieben oder hassen könnte an dieser Kombo aus Großbritannien, die in Köln am Montagabend die zweite Station ihrer Global Spirit-Tour nach Leipzig absolviert hat. Um es mal auf den Punkt zu bringen: es war fantastisch.
Selbst, wenn man Depeche Mode oft erlebt hat, kann man sich daran erfreuen, dass sie sich selbst treu bleiben, weil Veränderung ja nicht immer das Ziel der Reise ist. Was gut ist, kann bleiben, und so bleibt eben am Ende eines solchen Abends richtig viel Gutes, um ehrlich zu sein, ist es ein Feuerwerk an Bekanntem ohne einen einzigen Aussetzer. Und weil keine Band wie sie die kraftvolle Inszenierung aus elektronischem Mitsing-Pop und schwermütigen Mollklängen mit Ausstrahlung und Legendenstatus der Protagonisten und erheblicher Spielfreude verbindet, ist auch keine Band wie sie. Die Anhänger sind durchaus auch in die Jahre gekommen, junge Menschen haben Depeche Mode auf ihrer Reise nicht mehr mitgenommen, was wohl auch daran liegen mag, dass manche Samples zwar immer nochmal kraftvoller strotzen, aber nicht jede musikalische Mode, die heute Generationen prägt, in dieser Band zum Wesensmerkmal des eigenen Bruchs geworden ist.
Die Botschaften des neuen Albums „Spirit“ werden gesungen, auch verfilmt auf der Videowall, aber nie gesprochen. Gahan ist ein Entertainer ohne viele Worte, sein Körper spricht, noch immer hörenswert, er lächelt, feiert, lebt Lust vor, die gar nicht zu manchem Untergangstext seiner selbst passen will. Und wenn sie mit „Going backwards“ beginnen, was man ahnend wusste, als das neue Album gehört war - noch so etwas Verlässliches -, ist die Richtung vorgegeben: Erst das Beklagenswerte abhandeln, die Rückschritte der Menschheit markieren, die wir erleben und hinnehmen. „Where‘s the Revolution” liegt in der Konzertmitte als zweiter mahnender Gassenhauer, und wenn sie mit „Personal Jesus" enden, dann ist der Kreis geschlossen, so lange man den Song als falsch verstandene Rettung durch gar zu einfache Antworten Einzelner verstehen mag. Dazwischen? Alles, was geht, eine Reise durch das Werk, man beobachtet zuhauf ältere Körper, die sich ekstatisch winden wie Gahan. Mit „Never Let me down Again” und 45 000 Fans, die ausnahmslos wie verabredet die Hände hochhalten und die Arme schwenken, gehen Sie das erste Mal von der Bühne, fünf Zugaben folgen, darunter „Heroes“ als Cover von David Bowie, eine Eloge an den Meister. Das Publikum ist hin und weg, wann bekommt man schon, was man will: vertraute Gesichter, unsterbliche Körper und die Auskunft, dass alles anders bleibt.