Der Gefühlsmensch: Neue CD von William Fitzsimmons
Seine Musik spiegelt wieder, was er erlebt. Bei aller Melancholie versprüht das neue Album von William Fitzsimmons doch auch Optimismus. Es geht ihm besser.
Düsseldorf. Den rechten Unterarm von William Fitzsimmons schmückt eine Tätowierung: „Your words in my memory are like music to me“ (In meiner Erinnerung klingen deine Worte wie Musik). Es ist eine Zeile aus einem Lied der schottischen Band Snow Patrol. Sie drückt aus, was den Songwriter Fitzsimmons ausmacht: Musik ist sein Weg, Gefühle zu verarbeiten.
William Fitzsimmons, geboren in Pittsburgh, erlebte eine außergewöhnliche Kindheit. Seine Eltern sind beide blind, und so wuchs er in einer Welt auf, in der Klängen eine besondere Bedeutung zukam. Diese Erfahrung lässt der Songwriter ebenso in seine Stücke einfließen wie andere persönliche Erlebnisse, etwa die Scheidung seiner Eltern, die ihn als Heranwachsenden schwer traf.
Das Reflektieren der eigenen Biografie in der Musik ist ein Merkmal von William Fitzsimmons’ Kunst. Damit interpretiert er die Rolle des Singer/Songwriters beinahe analog zu seinem früheren Berufsleben. Bereits als Kind hatte Fitzsimmons verschiedene Instrumente erlernt, zu Hause spielte Musik eine wichtige Rolle.
Dennoch studierte der junge Mann zunächst Psychologie und arbeitete mit psychisch Kranken. „Ich werfe mich ganz in diese Sache, um so vielleicht ein bisschen therapeutische Wirkung ins Reich der Musik zu bringen“, erklärte der Künstler in einem Interview mit dem US-Magazin „The Fader“. „Ich mag es, dass meine Lieder Menschen ein klein wenig helfen können.“
In der Vergangenheit wirkten die Lieder von William Fitzsimmons jedoch oft auch selbstreinigend, sie bekämpften die inneren Dämonen. Tragik will mit den Hörern geteilt und dadurch verarbeitet werden. Mitunter auch auf deren Kosten, wie Fitzsimmons selbst einmal in einem Interview mit dem Popkultur-Magazin „Intro“ eingestand: „Bei ,The Sparrow And The Crow’ wollte ich, dass jeder, der das Album hört, sich wie ein Stück Scheiße fühlt. Klingt verrückt, aber so war es.“
Mit dem erwähnten Werk behandelte der Songwriter 2008 die Scheidung von seiner ersten Ehefrau. Das in Deutschland ein Jahr später veröffentlichte Album, Fitzsimmons’ drittes, brachte dem Künstler zugleich den endgültigen Durchbruch. Dabei half es, dass seine Lieder „Passion Play“ und „Please Don’t Go“ damals in der TV-Erfolgsserie „Grey’s Anatomy“ stimmungsvoll eingesetzt wurden. Die tieftraurige, dabei sehr behutsam vorgetragene Musik brachte Fitzsimmons in der Folge immer wieder Vergleiche mit Größen wie Iron & Wine oder Elliot Smith ein. Der Songwriter selbst führt neben Klassikern wie Bob Dylan und Joni Mitchell — beides Lieblinge seiner Mutter — auch zeitgenössische Künstler wie Mark Kozelek als musikalischen Einfluss an. „For Emma Forever Ago“, das hochgelobte Debütalbum des amerikanischen Indie-Folk-Acts Bon, gehört ebenfalls zu den Veröffentlichungen, die ihn berührt haben.
In diesem Jahr wird William Fitzsimmons 36, und mit „Lions“, das seit gestern in den Regalen steht, ist sein sechstes Album erschienen. Eines ist gleich beim ersten Hören auffällig: Es scheint dem Menschen hinter der Musik wieder besser zu gehen. Mittlerweile zum zweiten Mal verheiratet, wirkt Fitzsimmons in seinen Texten hoffnungsvoll. Liebe bedeutet hier nicht automatisch Verlust. Auch musikalisch finden sich neben gefühlvollen Balladen einige hell strahlende Momente.
Das vorab veröffentlichte „Fortune“ ist einer dieser Songs, die man so bisher von William Fitzsimmons nicht kannte. Das Schlagzeug treibt den Takt sanft aber bestimmt, während der Text in der für den Sänger typischen Art oftmals nur gehaucht wird. Dazu spielt die Akustikgitarre eine entspannte Folk-Melodie. Im Video zum Lied begleitet der Betrachter eine Gruppe Teenager beim Ausflug. Warm schimmerndes Sonnenlicht fällt durch die Blätter eines Laubwaldes. Kanu fahren, nackt baden, spielerische Küsse. Ein Sommer, der nicht enden will. „What I do remember is you“ (An was ich mich erinnern werde, bist du), wiederholt Fitzsimmons immer wieder, während das Lied verklingt. Ein Moment wie aus einem Film.
Drei Jahre ließ sich William Fitzsimmons Zeit für ein neues Album, und das Warten hat sich gelohnt. „Lions“ zeigt den Musiker — verändert und dennoch im Einklang mit alten Stärken. Besonders die optimistische Note tut der Musik gut und verleiht dem Album bei aller nach wie vor vorhandenen Melancholie eine spürbare Leichtigkeit. So reift ein moderner Klassiker.