Dutch Uncles: Sie machen Pop, kristallklaren Pop

Manchester spielt im Pop wieder eine Rolle. Ein Grund: die kunstvoll verspielten Songs der Dutch Uncles. Album drei liefert Stücke zwischen Club und Kunstgalerie.

Düsseldorf. Die Bandgeschichte der Dutch Uncles ist geradezu klassisch: Sie verweist in einen Vorort von Manchester. Teilweise bereits seit Grundschulzeiten befreundet, entdeckten hier fünf junge Männer Mitte der 2000er-Jahre die gemeinsame Liebe zu zackigen Gitarren und vertrackten Melodien. Der Gang aufs College stand vor der Tür, und die Dutch Uncles waren geboren.

Kurz nach Gründung der Band wurde das Hamburger Label Tapete Records auf die Briten aufmerksam und lud zu Aufnahmen ins renommierte Cloud Hill Studio ein. Das daraus resultierende Debütalbum „Dutch Uncles“ bescherte der Band erste Anerkennung in einschlägigen Indie-Pop-Blogs, der große Durchbruch ließ jedoch auf sich warten. Die von häufigen Rhythmuswechseln und straffen Riffs bestimmten Stücke ließen die nötige Eingängigkeit vermissen.

Mit dem folgenden, nun beim englischen Label Memphis Industries veröffentlichten Werk „Cadenza“ folgte ein weiterer Schritt nach vorn. In ihrer Heimat teilten Dutch Uncles die Bühne fortan mit angesagten Künstlern wie Maximo Park oder Wild Beasts und spielten im Sommer 2011 auf großen Festivals in prominenten Zeitfenstern. Außerhalb Großbritanniens blieb die Band jedoch ein Tipp für Kenner. Mit Album Nummer drei könnte sich das endgültig ändern.

„Out Of Touch In The Wild“ gleicht einer selbstbewussten Standortbestimmung. Detailverliebt und künstlerisch klingen die neuen Songs. Synthie-Fanfaren, E-Piano und Streicher haben Gitarre und Schlagzeug den Rang abgelaufen. Die Dutch Uncles sind heute mehr als nur eine weitere britische Gitarrenband, die tanzbare Lieder schreibt. Diese Musik wurde im Studio entworfen und lässt doch spüren, wie gerne sie live gespielt werden möchte. Hier bedienen Menschen, nicht Roboter die Instrumente.

Die Band gibt sich artifiziell und doch lebendig und reiht sich damit in die Tradition von Talk Talk und Peter Gabriel bis hin zu Delphic und Two Door Cinema Club ein. Stücke wie „Bellio“ oder „Flexxin“ zeigen sich vom kühlen Klang der frühen 1980er-Jahre beeinflusst und beziehen ihre Faszination aus gut gewählter Großspurigkeit und wohltemperierter Theatralik.

Es sind Songs, die gleichermaßen im Club und in der Kunstgalerie funktionieren, jedoch frei sind von akademischer Arroganz. Vielmehr haben die Dutch Uncles in den vergangenen Jahren aus komplexen Songstrukturen eine klangliche Kernidentität herausgeschält. Das Ergebnis trifft den Zeitgeist, ohne sich anzubiedern. Pop dient als Leitlinie und wird von klugen Köpfen seiner Offensichtlichkeit beraubt. Eingängig sind viele der Melodien, allerdings ohne sich zu schnell abzunutzen. Statt den geraden Weg zu nehmen, schleichen Dutch Uncles nicht selten beinahe unbemerkt über verschlungene Seitenpfade.

Für die Musik des in sich sehr stimmigen Albums zeichnet vor allem Bassist Robin Richards verantwortlich, dessen Song-Ideen im Studio von den übrigen Bandmitgliedern ergänzt und weiterentwickelt wurden. Komplettiert werden die Lieder von den Texten von Sänger Duncan Wallis, dessen Stimme oft durch elektronische Effekte veredelt wird. So entstehen vor dem inneren Auge Bilder von glitzernden Kristallen oder schillernden Wasseroberflächen.

Ein Höhepunkt auf „Out Of Touch In The Wild“ ist die Vorab-Single „Fester“. Der luftige Disco-Rhythmus treibt ohne Eile auf die Tanzfläche, während die Band die Lead-Gitarre durch ein Xylophon ersetzt. So smart war britische Tanzmusik zuletzt selten. Auch das ruhige „Godboy“, das den Tod eines Freundes der Band verarbeitet, weiß durch einen sauberen, erhebenden Klang zu gefallen. Bis zu den letzten Tracks „Nometo“ und „Brio“ hält das Album Entdeckungen bereit und verliert dennoch nie eine schlüssige Grundstimmung. Bei aller Künstlichkeit herrscht hier Klasse statt Kitsch.

Zusammen mit Everything Everything bilden die Dutch Uncles die erste Reihe der erfolgversprechenden jungen Bands aus Manchester. Glaubt man der britischen Musik-Presse, so sollte es ihnen schon bald gelingen, in die großen Fußstapfen der Buzzcocks, der Smiths und der Stone Roses zu treten — ebenfalls musikalische Söhne der Stadt. 2013 wird zu Kristall-Pop getanzt.