Eine Liszt-Sonate in zwei Konzerten
Aimard und Volodos zeigen zwei Seiten eines Werks.
Duisburg. Sie gehören beide zu den großen Pianisten unserer Zeit, der Franzose Pierre-Laurent Aimard (53) und der Russe Arcadi Volodos (38). Doch trotz der Gemeinsamkeit eines extrem hohen musikalischen Niveaus sind es denkbar unterschiedliche Virtuosen, die beim Klavier-Festival Ruhr auftraten.
Besonders deutlich wird dies an der Darbietung der h-Moll-Sonate von Franz Liszt: Zum 200. Geburtstag des Komponisten setzten sowohl Aimard als auch Volodos dessen größtes Klavierwerk aufs Programm. Sie gastierten damit am Wochenende in Duisburg — Aimard in der Gebläsehalle des Landschaftsparks, Volodos in der Mercator-Halle des City-Palais.
Aimard studiert diese Sonate speziell für das Klavier-Festival ein und kombiniert das 30-Minuten-Opus subtil mit anderen komplexen Kompositionen wie der Sonate op. 1 von Alban Berg und der 9. Sonate „Schwarze Messe“ Alexander Skrjabins.
Liszts so virtuoses wie musikalisch anspruchsvolles Großwerk macht der Franzose zu einem Palast luzider Transparenz. Der Spezialist für musikalisch komplizierte Fälle der Moderne (Messiaen, Ligeti) oder polyphon Verästeltes (Bachs „Kunst der Fuge“) legt wie ein Chirurg des Klaviers Stimmen frei. Nichts entgeht seiner akribischen Analyse.
So präsentierte er Liszts Sonate in ihrer Totalen, legt ihr Material offen und dem Publikum zu Füßen. Alle Schönheiten des Werkes kommen klar heraus. Nur mit dessen virtuoser Wucht kommt er nicht ganz zurecht. Die dynamischen Höhepunkte bleiben verhalten.
Arcadi Volodos ist in Sachen romantischer Virtuosität ein deutlich stärkeres Kaliber. Er zeigt ungleich mehr Dynamikstufen, vom zartesten Pianissimo bis zu einem Forte von orchestraler Klangbreite. Der 15 Jahre jüngere Russe ist Romantiker der alten Schule, spielt in der ersten Hälfte poetisch Zartes von Schubert, um dann mit Liszt einen gewaltigen Kontrast zu setzen.
Seine Liszt-Interpretation wirkt subjektiver als die von Aimard. Volodos legt in lyrische Passagen viel Gefühl und spitzt die Dramatik der rasanten Passagen vehement zu. Das Tempo, in dem er die gefährlichen Prestissimo-Oktaven bewältigt, ist schlichtweg atemberaubend.
Großer Jubel nach beiden Konzerten. Das Klavier-Festival Ruhr dauert bis zum 22. Juli.