Mobys leeres Leben unterwegs
Der US-Musiker hat zur neuen CD einen Band mit eigenen Fotografien veröffentlicht.
Berlin. Der US-Musiker Moby ist ein Star des Elektropop und entsprechend häufig auf Tour. „Viele Leute meinen, auf Tournee zu sein, wäre unwahrscheinlich glamourös“, sagt er. „In Wirklichkeit ist es unwahrscheinlich verwirrend und beunruhigend.“ Und es kann einen leicht um den Schlaf bringen.
Für Richard Melville Hall, genannt Moby, ist der Schlafentzug eine Art Schaffensmotor. Diesmal ist dabei nicht nur die obligatorische CD herausgekommen, die in Deutschland gerade auf Platz zehn der Album-Charts eingestiegen ist, sondern auch ein üppiger Fotoband. Denn seit Moby Musik macht, ist er auch mit der Kamera unterwegs.
So hat der Amerikaner während seiner letzten Tournee rund um den Globus aus seiner Schlaflosigkeit eine Tugend gemacht und mit Laptop, Mikrofon und Keyboard eine Menge Klangmaterial komponiert, aufgenommen und im heimischen Studio vollendet. Moby dokumentiert so das verstörende Leben auf Tournee — und das Zeitloch.
„95 Prozent des Tourneelebens bestehen nun mal aus Warten“, sagt der 45-Jährige, „du sitzt im Hotelzimmer und wartest. Du sitzt im Auto zum Club und wartest. Dann sitzt du in der anonymen Garderobe im Keller, und wieder wartest du. Bist ganz bei dir. In der nächsten Minute, stehst du vor 50 000 Leuten, um wieder in der Garderobe zu verschwinden und zu warten.“
Also Zeit en masse. Was macht Moby mit der Zeit? „Ich lese ein Buch, ich kaufe Schlagzeugcomputer bei Ebay, ich überfliege die Nachrichten und diesmal habe ich auch an Musik gearbeitet und Fotos gemacht.“ Moby machte sein Leben unterwegs zu einem Projekt. Dabei fällt er ins nächste Loch, in das der Zufälle und Überraschungen.
„Das Schwierige für mich ist dabei die Dialektik des künstlerischen Schaffens“, sagt Moby, „du erschaffst etwas, in meinem Falle etwas überaus Persönliches, und gibst es der Öffentlichkeit preis.
Die reagiert. Eigentlich will ich das sogar. Doch warum verwirren mich dann positive Reaktionen genau so wie negative? Weil sie zufällig sind. Du machst eine Platte, und schon zwei Reaktionen darauf sind so gegensätzlich wie Feuer und Wasser.“
Von solchen Gegensätzen leben auch Album und Buch. Die CD bringt Licht und Schatten sowie Höhen und Tiefen musikalisch zusammen. Moby gelingt es, die Atmosphäre des Wartens an leblosen Orten mit der puren Lebensfreude des auf der Bühne gefeierten Künstlers zu verbinden. „Auf einer Tournee bleibt nichts ohne sein Gegenteil: absurd leer und absurd voll, absurd leblos und absurd fruchtbar.“
Auch der Fotoband lebt von diesen Kontrasten. Moby zeigt endlose nackte Flughafengänge im Neonlicht, die immer gleich aussehenden Hotelzimmer, dann die entfesselte Fan-Menge und gelegentlich den wärmenden Anblick der untergehenden Sonne aus dem Flieger.
Der Musiker hat sein Erleben den Zufälligkeiten und Überraschungen, die die Schlaflosigkeit für ihn bereithielt, ausgesetzt. Die Bilder und die Töne atmen diesen rauschhaften Zwischenzustand, in dem man sich nicht mehr bei sich fühlt. Album und Buch formulieren es härter: „Destroyed“ — zerstört.