Farin Urlaub über Punk und die Beatles
Berlin (dpa) - Ausgerechnet an einem Freitag, den 13., kommt die neue Platte der Berliner Punkband Die Ärzte auf den Markt - der Titel: „auch“. Es ist eine Art Jubiläumsalbum, denn in diesem Jahr feiert die Band ihr 30-jähriges Bestehen.
Im dpa-Interview spricht Ärzte-Frontmann Farin Urlaub (48) über Punkrock, den Fluch der Lustigkeit, übers Liederschreiben und den Schlüsselmoment, der ihn zum Musiker machte.
Gleich im ersten Stück der neuen Platte „auch“ stellt Ihr die Frage „Ist das noch Punkrock?“. Die greife ich gleich einmal auf...
Farin Urlaub: „...aber wir beantworten sie ganz elegant nicht, eher bieten wir ein deutliches "hmm, kann sein, weiß nicht" an. Das soll ja auch so bleiben, Die Ärzte als Enigma. Ich find' das gut.“
Den Schalk in Euren Stücken habt ihr jahrelang gepflegt...
Urlaub: „Ja, das schon. Aber er ist bei Die Ärzte nicht mehr das definierende Element. Das haben wir spätestens mit dem letzten Album abgeschüttelt. Jetzt ist er nur noch da, wenn wir ihn da haben wollen. Aber er ist niemals notgedrungen da. Es gab eine Zeit, da war kein Text ohne Scherz. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Hätten wir das nicht gestoppt, wären wir dem Fluch der Lustigkeit ausgeliefert gewesen. Das wäre auch nicht schön gewesen.“
Wie entstehen Eure Lieder im Detail?
Urlaub: „Früher ist jeder von uns mit fertigen Stücken ins Studio gekommen. Den anderen wurde dann gesagt, "du machst das und du das und exakt so, wie ich mir das vorstelle". Das war wirklich sogar ganz extrem. Die Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Jetzt sind Demos nur noch Diskussionsgrundlage. Im Einzelfall kommt es vor, dass alle sagen, "das lassen wir so, das ist doch perfekt". Meist ist es aber so, dass noch diskutiert wird - auch schon mal heftiger. Nie jedoch beim Text. Da ist immer einer federführend. Es gibt lediglich ein einziges Kriterium bei der Arbeit an einem Stück: Es muss uns allen dreien gefallen. Dann ist es auf der Platte. Da wird nicht irgendwie Marktforschung betrieben. Wir arbeiten da eher nach dem Motto: einfach mal machen.“
Seid ihr nach den vielen Jahren vom Phänomen Die Ärzte noch überrascht?
Urlaub: „Absolut, immer noch. Und immer wieder. Du musst dir die momentane Situation einfach mal vorstellen: Es ist noch kein Ton vom neuen Album veröffentlicht, es ist noch kein Plakat geklebt und noch keine Anzeige geschaltet. Wir haben lediglich auf unserer Webseite bekanntgegeben, wir gehen wieder auf Tournee. Kurz danach war fast alles ausverkauft. Ich sage dann nicht, "das habe ich erwartet, das ist doch klar, schließlich sind wir Die Ärzte". Ich raufe mir jedes Mal wieder die Haare und sage, "das kann doch alles nicht wahr sein". Natürlich ist das ein super Gefühl. Aber doch sei die Frage gestattet: Was ist das? Was wäre beispielsweise, wenn wir ein Scheiß-Album rausbringen würden?“
Gab es in deiner Kindheit oder Jugend einen musikalischen Schlüsselmoment, der so prägend war, dass du selber Musiker sein wolltest?
Urlaub: „Es gab zwei völlig unterschiedliche. Der erste und wahrscheinlich der wichtigere, auch wenn Bela das furchtbar finden wird, war, als ich mit neun Jahren meine Sympathie für die Gitarre entwickelte. Ich hatte immer schon Volkslieder geträllert und dachte, so eine Begleitung, das wäre doch ganz schön. Dann lauschte ich einer Radiosendung über eine Band, von der ich zu diesem Zeitpunkt noch nie gehört hatte, The Beatles. Und doch kannte ich jedes Lied. Jedes Lied! Ich bin dann zu meiner Mutter gegangen und habe ihr das Erlebnis erzählt. Meine Mutter lachte und sagte: "Was glaubst du denn, was du die ersten vier Jahre deines Lebens ausschließlich gehört hast?" Danach war ich der größte Beatles-Fan und habe angefangen, Gitarre zu spielen.“
Aber noch nicht professionell...
Urlaub: „Bis 1976/77 hatte ich das Gefühl, dass der Unterschied zwischen den Musikern, die Platten veröffentlichen und mir so groß ist, dass ich mir ein Musikerdasein abschminken konnte. Ich konnte vielleicht zur eigenen Belustigung Gitarre spielen. Aber es reichte keinesfalls, um dies vor Publikum zu tun. Dafür war ich viel zu schlecht. Und dann kam die Punkrock-Revolution. Ich bin nicht sofort Punk geworden, aber als ich Punkmusik gehört habe, wusste ich sofort, das kann ich auch. Das war die Initialzündung. Danach stellten sich nur zwei Fragen: "Hast du was zu sagen und hast du eine gute Melodie?" Mit beidem konnte ich dienen. Und das bis heute.“
Interview: Franz X.A. Zipperer, dpa